«Wir haben ja denselben Gott»
Es sei doch ein schönes Zeichen, dass Evangelische und Katholiken ihre Gottesdienste im selben Raum feiern könnten, sagt Pfarrer Marcel Ruepp. Er ist Leiter des weitläufigen Pastoralraumes Nollen-Lauchetal-Thur. «Wir haben ja denselben Glauben und denselben Gott». Der Pfarrer spricht die paritätische oder simultane, also gemeinsame Nutzung der Kirche in Leutmerken an, die schon seit 1612 ununterbrochen Bestand hat.
Das Verhältnis zu den Evangelischen, die in der Kirchgemeinde Bussnang-Leutmerken am kirchlichen Leben teilnehmen, funktioniere in praktischer Hinsicht sehr gut und wohlwollend. Aber: «Eine Herzensbindung müsste erst noch wachsen.» Von den Glaubensgeschwistern der Apostelgeschichte (Apg 4,32-37 und 2,43-47) «sind wir noch meilenweit entfernt.»
Â
Mehrgewinn ĂĽbertrifft
Mehraufwand Gleichwohl bestehe gerade in Leutmerken eine besondere Nähe zur Schwesterkirche. Pfarrer Ruepp hat keine grössere Beziehung zu der Kirche in Leutmerken als zu anderen Gotteshäusern. Er sei aber sehr dankbar für das sehr schöne und praktische Pfarreiheim neben der Kirche, die 834 erstmals erwähnt wird. Auch dass die Kirche in das Grün der Umgebung eingebettet ist, finde er sehr schön.
Was ihm besonders in der Kirche gefällt? «Der Chorraum, die jeweilige Licht-Installation in der Adventszeit und die Weihnachtskrippe. Auch Pfingsten und der Erntedank sind immer etwas Besonderes.» Allgemein bewundere er die Kirchendekoration, «ich verstehe mich sehr gut mit der Mesmerin Silvia Rieser, sie hat da ein besonderes Flair. Sie legt ihr Herz und ihren Glauben in ihre Aktivitäten hinein.» Der Mehraufwand, der sich zum Beispiel durch Absprachen mit den Evangelischen durch die gemeinsame Nutzung der Kirche ergebe, sei im Verhältnis zum Mehrgewinn nicht der Rede wert.
Â
«Hauptsache: Sie begegnen Gott»
Was die Zukunft der paritätisch genutzten Kirche in Leutmerken betrifft, hat Pfarrer Ruepp eine klare Vorstellung: «Ich vermute, dass die Kirche Leutmerken einmal ein ungenutztes Kultur-Denkmal werden wird. Aus entwicklungstechnischen Gründen und im Blick auf die Abnahme der Bedeutung christlicher Kirchengemeinschaften – mindestens in Bezug auf die Landeskirchen – werden wir in absehbarer Zeit zu viele Kulträume, das heisst Gotteshäuser haben.»
Der Umnutzung von Kirchen stehe er zwar eher skeptisch gegenüber. Aber vielleicht werde die Kirche in Leutmerken auch mal von einer anderen Religionsgemeinschaft weiter genutzt. «Der Mensch denkt – Gott lenkt!» Und da es nur einen Gott gebe, sei es ihm vielleicht nicht so wichtig, wo und wie ihm Menschen begegnen wollen. Pfarrer Ruepp sagt: «Hauptsache, sie begegnen ihm.» Er glaube und hoffe auf das, was in Epheserbrief 1,4 steht: «Ich habe euch erwählt vor der Grundlegung der Welt». Das gelte aber nicht nur für Leutmerken!
Ein Hirte – eine Herde
«Ich habe andere Schafe, die nicht aus diesem Pferch sind; auch die muss ich leiten, und sie werden auf meine Stimme hören. Und sie werden eine Herde werden mit einem Hirten.» So steht es in Johannes 10,16 in der Zürcher Bibel.
Es ist die Geschichte vom Guten Hirten. In diesem Bibelspruch geht es um Substanzielles: Am Guten Hirten – in der Bibel oft eine Metapher für Gott – können Gläubige erkennen, was es heissen kann, auf Gott zu vertrauen. Der Hirte – auf Lateinisch Pastor – kümmert sich um jedes einzelne Schaf, er kennt die Stimme jedes Einzelnen, jedes ist ihm wichtig. Wenn eines sich von der Weide entfernt und sich in Gefahr begibt, holt der Hirte es zurück unter seinen Schutz und den Schutz der Herde.
Mit ihrer Interpretation von «ein Hirte – eine Herde » nahmen die Kinder aus dem Religionsunterricht in Nussbaumen am Malwettbewerb des Kirchenboten teil. Lean Künzli gewann mit seiner Zeichnung (rechts) das Voting der Redaktionskommission und damit einen Eintritt ins Conny-Land in Lipperswil.
Â
Versprechen gilt seit 400 Jahren
Im Thurgau stehen noch heute paritätische Kirchen dort, wo sich weder die Evangelischen noch die Katholiken eindeutig durchsetzen konnten. Nach der Reformation hingen die Leutmerker zunächst dem neuen Glaubensbekenntnis an. Das war nicht zuletzt dem Konstanzer Reformator Ambrosius Blarer zu verdanken, der selbst Pfarrer in Leutmerken war, und an den heute noch in der Kirche in Leutmerken erinnert wird.
Die Verhältnisse änderten sich allerdings 1607, als der Gerichtsherr Marx von Ulm zum Katholizismus übertrat und im Jahr 1611 die elf Häuser aufkaufte, die nach der verheerenden Pest leer standen und diese an Katholiken vermietete. Bald erreichte er auch die Wiederaufnahme der katholischen Messe. Marx von Ulm versprach den nur noch acht evangelischen Haushaltungen, die nach der Pest übriggeblieben waren, sie bei ihrem Glauben und bei ihrem Gottesdienst zu belassen. Dieses Versprechen, vor über 400 Jahren gegeben, hat sich bis heute gehalten.
Â
Ein Hirte – eine Herde: Alle Kinderzeichnungen entdecken
Â
Â
«Wir haben ja denselben Gott»