«Wir benötigen und ergänzen einander»
Die SVP, wählerstärkste Partei im Kanton Thurgau, störte sich in jüngerer Vergangenheit verschiedentlich an den beiden Landeskirchen. Dies vorab wegen Äusserungen zu politischen Themen und der Unterstützung des islamischen Religionsunterrichtes im Kanton. Aus Sicht des Präsidenten der SVP-Fraktion im Thurgauer Grossen Rat, Hermann Lei, positionieren sich die Kirchen politisch «links der Mitte». Ende Oktober haben sich beide Seiten in Fischingen zu einem Gedankenaustausch getroffen. Bei allen Differenzen herrschte der Grundtenor einer «intakten Partnerschaft, die aber Redebedarf hat», wie es Hermann Lei formulierte.
Christina Aus der Au: Weiter im konstruktiven Dialog bleiben
Zu Beginn des Treffens erklärte die evangelische Kirchenratspräsidentin Christina Aus der Au in ihrem Referat: «Miteinander Ringen und Reden gehört zum gemeinsamen Weg». Sie verglich Grösse und Einfluss von Kirche und Partei und lobte dabei ausdrücklich das Engagement der SVP Thurgau für das gesellschaftliche Leben. «In vielen Punkten überschneiden sich die Themen im Parteiprogramm der SVP mit unseren Anliegen. Als Kirche fühlen wir uns aber nicht einer Partei verpflichtet. Unsere Solidarität und unser Verantwortungsbewusstsein gilt allen Menschen.» Christina Aus der Au benannte damit auch die Unterschiede, aber bekräftigte die Bereitschaft, weiter in einem konstruktiven Dialog bleiben zu wollen. Nicht ohne in ihrem Schlussplädoyer darauf hinzuweisen, dass «die Kirche zuerst für Freiheit steht und nicht für Sicherheit, für Mut und nicht für Angst – und nicht an der Grenze der Schweiz endet».
Cyrill Bischof: Kirchensteuer durch Sozialsteuer ersetzen
Die gemeinsamen Anliegen von Politik und Kirchen stellte Cyrill Bischof, Kirchenratspräsident der katholischen Landeskirche Thurgau, in den Mittelpunkt seines Referats. Er erinnerte an den historisch gewachsenen Frieden zwischen den verschiedenen Religionsgemeinschaften in der Schweiz. Damit rechtfertigte er zwischen den Zeilen die finanzielle und ideelle Unterstützung für den islamischen Religionsunterricht. Gleichzeitig schlug er eine Brücke zu einem weiteren Zankapfel – der Kirchensteuer. Er ging der Frage nach, ob die Kirchensteuer in Zukunft nicht in eine Sozialsteuer umgewandelt werden sollte, die bei allen Steuerzahlenden erhoben und unter anderem auch auf die Kirchen verteilt würde. «Die Politik muss ein grundsätzliches Interesse am Fortbestand der Kirchen haben», sagte Bischof und betonte, «der Staat benötigt die Kirchen, um seine Aufgaben erfüllen zu können». Beide Seiten müssten sich vermehrt vernetzen und sich «zusammen Gedanken zum Bekenntnis zur Gesellschaft machen».
Angeregte Diskussion
Die anschliessende Podiumsdiskussion moderierte der SVP-Kantonsrat Ciril Schmidiger. Von kirchlicher Seite nahmen neben den beiden Präsidien auch Corinna Pasche-Strasser, katholische Kirchenrätin, und Paul Wellauer, evangelischer Kirchenrat, teil. Das Podiumsgespräch wandelte sich schnell zu einer angeregten Diskussion mit den anwesenden Mitgliedern der SVP-Fraktion. Hauptthemen waren dabei die juristischen Kirchensteuern, die beflaggten Kirchtürme bei der Konzernverantwortungsinitiative und vor allem das Engagement der Kirchen bei der Erarbeitung eines Lehrplans für islamischen Religionsunterricht.
Beim anschliessenden Apéro wurde dann einiges mit dem Glas Weisswein in der Hand noch pointiert, differenziert und geklärt. So ging man mit dem Vorsatz auseinander, weiter im Dialog zu bleiben und der Erkenntnis, dass unterschiedliche Positionen letztlich «die Glaubwürdigkeit der Institutionen stärkt», wie es ein Votant zusammenfasste.
SVP zieht vereinnahmend versöhnliche Bilanz
Auf der Webseite der SVP Thurgau zieht die parteieigene Berichterstattung zum Gespräch der Fraktion mit den Spitzen der beiden Landeskirchen – trotz zuweilen «hitziger Diskussionen» – eine vereinnahmend versöhnliche Bilanz: «Schliesslich wurde aber auch erkannt, dass die Werte und Einstellungen zwischen Landeskirchen und SVP nahe beieinander liegen. Es sind Institutionen, die einander benötigen und auch ergänzen. Es gibt viele Menschen, die den kirchlichen Institutionen wie auch der SVP die Treue halten und sich aktiv engagieren. Das ist auch notwendig, um die Gesellschaft positiv weiterzuentwickeln.»
Cyrill Bischof: Offen für Gespräche mit allen wichtigen Parteien
In einem Interview mit kath.ch hat sich auch der katholische Kirchenratspräsident Cyrill Bischof im Nachgang zur Aussprache mit der SVP-Fraktion geäussert. Bischof öffnet dabei die Türe für ähnliche Gespräche mit anderen Parteien: «Wir sind bereit, alle wichtigen Parteien im Grossen Rat in dieser Art zu begrüssen. Mit der SVP haben wir nun einen Anfang gemacht.»
«Wir benötigen und ergänzen einander»