Wenn Taufstein und Lebensstein erzählen könnten
Behäbig steht er vorne im Chor. Oft fühlt er sich ein wenig einsam, denn die Kanzel links über ihm schweigt ihn die meiste Zeit an, es sei denn, der Pfarrer hält eine Predigt oder die Mesmerin richtet die Blumen für den Sonntagsgottesdienst. 29 rot-grüne Knospen zieren die Äste seiner ausladenden Krone. Für den Lebensbaum in der evangelischen Kirche Wängi ist heute ein besonderer Tag. Kleinkinder springen umher, sitzen auf den bunten Kissen im Chor, singen mit ihren Mamis fröhliche Lieder und lauschen einer Geschichte.
Dann kommt der Moment, wo der Taufbaum «seine» Knospen hergeben muss: Im heutigen «Fiire mit de Chliine» sind Eltern eingeladen, die Knospe abzuholen, die sie für ihr Kind anlässlich seiner Taufe gestaltet haben. In Erinnerung an die Taufen ihrer beiden Kinder sagt Marlies Schneider, Mitwirkende im «Fiire-Team»: «Wir haben die Taufe im kleinen Kreis unserer Familie gefeiert. Dabei fanden wir es schön, durften wir die Zeremonie mitgestalten und unsere Wünsche frei einbringen, sodass es für uns ein bedeutender, unvergesslicher, schöner Tag wurde. Die Knospe, welche wir individuell verziert haben, wird uns immer an diesen bewegenden Moment der Taufe erinnern.» Sie ergänzt: «Uns bedeutet es viel, zu wissen, dass unsere Kinder behütet aufwachsen dürfen und dabei unterstützt werden.»
Erzählen, begleiten und vertrauen
«Taufen sind für Familien ein wichtiges christliches Fest», sagt Pfarrer Lukas Weinhold: «Die Eltern suchen Gottes Nähe für ihr Kind und sich selbst. Sie möchten, dass ihr Kind in den christlichen Glauben hineinwächst.» Es gibt wohl keinen hoffnungsfroheren Start für einen Lebensweg als das bedingungslose, grosse Ja Gottes, das einem Kind in der Taufe zugesprochen wird, besiegelt durch das Taufwasser, das als Symbol der Reinigung und des neuen Lebens gilt. Eltern, Paten und die Gemeinde sprechen sich dafür aus, das Kind im christlichen Glauben zu erziehen. Sie vertrauen darauf, dass Gottes Geist in dem Kind wirken und es zum Glauben führen wird.
Weil sich bei der Säuglingstaufe die Getauften später nicht mehr an die eigene Taufe erinnern können, seien das Erzählen darüber in der Familie oder auch das Fotoalbum umso wichtiger, so Lukas Weinhold. Die Taufe ist in der evangelisch-reformierten Kirche nebst dem Abendmahl eine «Heilige Handlung» und wird in der Regel von Pfarrpersonen durchgeführt. Sakramente sind die sichtbaren äusseren Zeichen für eine unsichtbare Glaubensrealität, die sich in Gottes Liebe geborgen weiss und welche im Verborgenen ganz macht und heilt.
Immer mal wieder an das bedeutende Taufereignis anknüpfen, die Verbindung zu den Familien halten und stärken, Gottes-Sehnsucht wecken: Verschiedene Gründe sind es, warum die Gemeinden zu Tauferinnerungsgottesdiensten einladen. «Im Hinblick auf den Tauferinnerungsgottesdienst behandeln wir die Taufe ziemlich bald nach Beginn des Religionsunterrichts in der dritten Klasse», erklärt Mesmerin und Katechetin Lucia Höchli. Um ins Thema einzuführen, zeigt sie ihren Schülerinnen und Schülern Bilder von verschiedenen Taufsituationen, traditionell schweizerisch landeskirchliche, aber auch solche aus freien Gemeinden und aus unterschiedlichen Ländern. Dabei stellten die Kinder spannende Fragen wie «Warum lassen sich manche als Erwachsene taufen und nicht als Kinder? » oder «Dürfen Mamis und Papis auch taufen oder braucht es dazu einen Pfarrer?». Über die Ganzkörpertaufe in Flüssen oder Seen staunten die Kinder ebenfalls.
Bewegender Moment für alle
Mit dem Tauferinnerungsgottesdienst findet das Thema einen gelungenen Abschluss. Die Drittklässlerinnen und -klässler wirken mit Liedern und Gebeten im Familiengottesdienst mit, freuen sich über die Fotos aus ihrer Kleinkinderzeit an der Leinwand und dürfen die selbst verzierte Taufkerze am Osterlicht anzünden. Lucia Höchli erzählt aus der Praxis: «Es war eine berührende Erfahrung, als sich aufgrund des Unterrichtsthemas eine als Kleinkind eingesegnete Schülerin zur Taufe entschied. Als sie dann im Tauferinnerungsgottesdienst ihre am Taufbaum sprossende Knospe entdeckte, war das für sie wie auch für die ganze Klasse ein bewegender Moment.» Tauf- und Tauferinnerungsgottesdienste: Momente der Freude und des Feierns nicht nur für die Familien, sondern auch für die gesamte Kirchgemeinde, erinnern sie doch jedes Mitglied an die eigene Taufe und die fortwährende Reise des Glaubens.
Lasst die Kinder zu mir kommen
Noch eine Geschichte: Eltern und Kinder steigen aus dem Familien-Van. Papa öffnet die Heckklappe und kramt für Ben das Trotti hervor. Fröhlich kurvt dieser davon. Plötzlich fegt der Wind einen orangen Ballon aus dem Auto in die nahe Hecke.
Ben sieht’s, kniet sich in seinen Shorts hin und will den verhedderten Ballon retten. Es gelingt ihm. Wie der Bube strahlt! Es ist, als hätte er ein grosses Geschenk erhalten. Seine Liebe zu so etwas «Kleinem», sein voller Einsatz, seine Freude beeindrucken! Und wie können wir diese Geschichte «theologisch einordnen»?
Der Bibeltext zur Kindertaufe findet sich in Markus 10,13-16: Und sie brachten Kinder zu Jesus, damit er sie anrühre. Die Jünger aber fuhren sie an. Als es aber Jesus sah, wurde er unwillig und sprach zu ihnen: «Lasst die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht; denn solchen gehört das Reich Gottes. Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.»
Auch zum Tauf- Thema haben Kinder gezeichnet. Laura Hinnen aus Wängi gewinnt mit ihrem Bild rechts einen Eintritt ins Conny-Land.
Taufe: Alle Kinderzeichnungen entdecken
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