Wegzeichen von Esther Walch Schindler
Seit September arbeite ich als Heimseelsorgerin in Frauenfeld. Da es die Corona-Schutzkonzepte wieder zulassen, kann ich viele Seniorinnen und Senioren in ihrem Zimmer oder in ihrer Wohnung besuchen. Erstaunt habe ich festgestellt, dass in den Pflegeheimen auch jüngere Menschen leben, die in der Nähe keine andere Wohnmöglichkeit für ihre Bedürfnisse gefunden haben. Aber die meisten Bewohnerinnen und Bewohner der Heime und Alterssiedlungen haben graue Haare und viele Jahre auf dem Buckel. Ja, sie sind alt.
Dieser Vers aus dem alttestamentlichen Buch Jesaja begleitet mich ständig. Gott verspricht seine Treue bis ans Lebensende, er trägt und rettet, er schleppt uns Menschen, wie die Zürcher Bibel übersetzt. Dabei gelten seine Begleitung und Unterstützung nicht einfach nur den hilflosen Kindern, den wagemutigen Jugendlichen und den überforderten Erwachsenen.
Gott kümmert sich genau so intensiv um die älteren, alten und hochaltrigen Menschen. Er trägt, schleppt und rettet sie. Mit dieser Hoffnungsbotschaft als Grundlage besuche ich gern die mir anvertrauten Seniorinnen und Senioren und gebe dieses Versprechen Gottes an sie weiter.
Gerade wenn grauhaarige Menschen klagen, sie könnten nichts mehr für die Gesellschaft leisten, nicht mehr arbeiten und seien sehr auf die Hilfe der Pflegepersonen angewiesen, dann kann ich ihnen sagen, dass das für Gott keine Rolle spielt. Er erwartet keine Leistung für seine Treue. Wie er schon immer seit der Entstehung jedes neuen Menschen treu für diesen eingestanden ist und ihn getragen hat, so wird er die Nachkommen Jakobs weiterhin schleppen und tragen. Es wird ihm nicht zu viel und zu schwer, Menschen in jedem Alter sind für ihn keine Zumutung.
Wie gut, dass das fortgeschrittene menschliche Alter kein Hindernis für Gott ist. Er lässt niemanden fallen. Immer wieder erfahre ich als Seelsorgerin in den Gesprächen mit Grauhaarigen eine grosse Fülle von Glaubenszeugnissen und Lebenserfahrungen. Menschen blicken auf ihren Lebensweg zurück und sagen, dass ihr Leben erfüllt war, dass sie immer wieder bewahrt, unterstützt und von Gott getragen wurden.
Sie haben widrige Umstände und Hindernisse bezwungen und gemeistert. Diese Erfahrungen der Nähe und Treue Gottes geben ihnen Kraft für den oft beschwerlichen Alltag im Alter. Als Gesprächspartnerin werde ich beschenkt von solchen Aussagen und Lebensberichten. Es wird offensichtlich: Wir müssen keine Angst vor grauen Haaren und den Tagen des Alters haben. Gott hilft, rettet und trägt bis zum letzten Atemzug.
Wegzeichen von Esther Walch Schindler