Wegzeichen von Bernhard Harnickell
Meine Frau und ich haben einen grossen Schritt gewagt und sind Ende letzten Jahres von der Westschweiz in eine uns völlig unbekannte Gegend in der Ostschweiz gezogen. Wir haben einen Neuanfang gewagt ohne zu wissen, was daraus werden wird. Wir sind mit Ungewissheit und Fragezeichen hierhergekommen, aber auch mit einer grossen Portion Vertrauen, dass uns diese Entscheidung gute Erfahrungen bescheren wird. Hätten wir auf gewisse Stimmen gehört («Was, in eurem Alter macht ihr noch so etwas?!»), wir hätten den Schritt nie gemacht. Zu viel Unsicherheit, zu viele Interessen anderer wären im Weg gestanden und hätten uns aufgehalten.
Seit es Menschen gibt, erfahren wir die Welt, in der wir leben, immer wieder als unsicher. Unser Leben läuft längst nicht immer geradlinig nach Plan. Jede Entscheidung, jede Veränderung, die wir treffen, bringt Unsicherheiten für uns und für andere mit sich. Unvorhergesehene Ereignisse können unser Leben auf den Kopf stellen. Was wir als Sicherheit empfinden, kann schon morgen wie ein Kartenhaus zusammenbrechen. Aus Erfahrung wissen wir, dass wir nicht allen Menschen trauen können.
Wie können wir vertrauen? Wem können wir vertrauen? Der Autor (oder die Autorin?) des Psalms unterscheidet zwischen vertrauen im Sinne von «sich bergen» und vertrauen im Sinne von «sich sicher fühlen». Die hebräischen Worte können beide mit «vertrauen» übersetzt werden, und haben doch unterschiedliche Qualitäten. Ich verstehe sie als zwei mögliche Grundhaltungen, mit denen wir durchs Leben gehen können.
Wer vertraut im Sinne von «sich sicher fühlen », verlässt sich auf etwas oder jemanden. Er oder sie stützt sich auf äussere Gegebenheiten ab und vertraut darauf, dass diese Sicherheiten halten, was sie versprechen. Das bedeutet wohl auch ein gewisses Mass an Stillstand, da jede Bewegung Veränderung mit sich bringen kann. Der Autor des Psalms spielt auf die Unzuverlässigkeit dieser Sicherheit an. Mit dem Vertrauen im Sinne von «sich bergen» ist es anders. Es bringt keine Absicherung mit sich. Im Gegenteil: Dieses Vertrauen hat die Unsicherheit bewusst vor Augen. Dieses Vertrauen braucht Mut, Entscheidungen zu treffen und eigene Wege zu gehen. Es fällt nicht einfach von den Bäumen, sondern wächst mit der Erfahrung.
Sich bei Gott zu bergen bedeutet nicht, dass alles reibungslos laufen wird. Vielmehr bedeutet es, darauf zu vertrauen, dass wir die Kraft haben werden, mit Rückschlägen umgehen und wieder aufstehen zu können, wenn wir am Boden liegen. Eigene Wege im Vertrauen auf Gott zu gehen, bringt uns vielfältige Erfahrungen und lässt uns als Menschen an Erfolgen und Misserfolgen reifen und wachsen.
Wir haben unsere Entscheidung, hierherzuziehen, übrigens bis jetzt nicht bereut. Im Gegenteil: Wir sind froh, diesen Schritt gewagt zu haben und sind gespannt, was noch alles daraus werden wird.
(23. Mai 2019)
Wegzeichen von Bernhard Harnickell