Wegzeichen
Von Marco Borghi
Das Gleichnis vom ungerechten Verwalter reiht sich in eine ganze Anzahl Gleichnisse, die uns in einer ganz besonderen Wende des Geschehens fast ratlos davor stehen lassen. Ein Verwalter soll entlassen werden, da er angeblich den Besitz seines Patrons verschleudert. So weit, so schlecht für den Verwalter. Eigentlich würden wir erwarten, dass er traurig wird und aus lauter Resignation keinen Finger mehr rührt. Oder er könnte wütend werden und sich an seinem Patron rächen. Genau das tut er. Er bestiehlt seinen Patron indirekt, indem er den Schuldnern einen Teil der Schuld erlässt. Damit fängt er zwei Fliegen auf einen Schlag: Er kann seine Wut loswerden und sichert sich die Gunst der Schuldner, die sich später vielleicht auch ihm gegenüber grosszügig zeigen werden.
Bis zu diesem Punkt ist die Geschichte nachvollziehbar. Was wir jetzt erwarten würden, ist, dass der Patron den Verwalter noch zusätzlich bestraft: Doppeltes Fehlverhalten erfordert doppelte Bestrafung. Dies wäre im landläufigen Sinne gerecht. Doch bei dieser Geschichte handelt es sich um ein Gleichnis: Es will nicht das alltägliche Gerechtigkeitsempfinden der Menschen zementieren, sondern eine neue Dimension des Denkens eröffnen. Und so nehmen wir staunend und fragend zur Kenntnis, wie der Patron reagiert: Er lobt den Verwalter dafür, dass er dessen Guthaben verringert hat. Spätestens jetzt ist uns klar, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugeht. Warum sollte ein Patron einen Angestellten loben, durch den er einen zusätzlichen Schaden erleidet?
Was erstaunt, ist der plötzliche Perspektivenwechsel: Es geht nicht mehr um die Vermehrung des Vermögens, sondern um die Existenz der Schuldner. Es scheint, als sei die Verminderung des Vermögens des Patrons dann in Ordnung, wenn es den Schuldnern zu Gute kommt. Die Motive des Verwalters waren zwar egoistisch und nicht sehr edel, aber das schmälerte den Wert seiner Tat in den Augen des Patrons nicht. Weshalb man jemand anderem hilft, scheint hier nicht wichtig. Es zählt allein das positive Ergebnis. zugunsten des Mitmenschen.
Das Gleichnis spricht anschliessend von Gott und dem Mammon als zwei Sphären, denen ein Mensch nicht gleichzeitig dienen kann; die Sphäre von Gott, die das Gedeihen der Menschen im Zentrum sieht und die Sphäre des Mammon, die darauf aus ist, Geld zu vermehren, ungeachtet der menschlichen Schicksale, die damit verbunden sind. Klar, wir Menschen müssen in der Sphäre des Mammons leben, weil wir einen Körper und Bedürfnisse haben, die zumindest teilweise gestillt werden müssen. Dienen aber sollen wir der Sphäre Gottes, die, unabhängig von Besitz und Stand, Freude und Leid jedes Menschen im Blick hat.
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