Warum nicht jünger, grösser, reicher?
Während in den reformiert geprägten Kirchen in der Schweiz das Durchschnittsalter der Mitglieder ansteigt, nimmt gleichzeitig die Zahl ihrer Mitglieder ab. Künftig werden den Kirchen weniger finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Blickt die Evangelische Landeskirche im Thurgau angesichts dieser Entwicklung mit Angst in die Zukunft? Muss sie gar befürchten, künftig ihren Einfluss auf Staat, Gesellschaft, Familie und Alleinstehende zu verlieren oder ihre angestammten Aufgaben nicht mehr erfüllen zu können? Kirchenratspräsident Wilfried Bührer meint dazu: «Es könnte doch bei der Kirche sein wie bei den Pflanzen: Diese können durchaus innen erstarken und neues Grün hervorbringen, auch wenn sie an den Rändern Blätter verlieren.» Mitte November wird Bührer an einer Tagung zur gesunden Gemeindeentwicklung in Frauenfeld über die Visionen und Perspektiven für die Evangelische Landeskirche im Thurgau sprechen und über Gemeindebau diskutieren. Der provokative Titel der Veranstaltung: «jünger – reicher – grösser». Es gebe eben auch Entwicklungen in der Kirche, die sie «jünger, reicher und grösser» werden liessen. Die Thurgauer Kirche habe in den vergangenen vier Jahren mit ihrem Prozess, Visionen zu entwickeln, wertvolle Schritte in diese Richtung getan.
Vital ist mehr als lebendig
Ralph Kunz wird in Frauenfeld über die Kennzeichen einer lebendigen Gemeinde referieren. Wie sich eine lebendige Gemeinde entwickeln kann und was er unter einer «gesunden» Gemeinde-Entwicklung versteht, erklärt der Professor für praktische Theologie an der Universität Zürich: «Es ist kein Zufall, dass Paulus mit ‹Leib Christi› eine Körpermetapher für die Kirche gewählt hat. Unser Körper mag lebendig sein, aber das heisst noch lange nicht, dass er vital ist. Wer den Körper trainiert, hat mehr vom Leben. Das gilt auch für Gemeinde – die Körperschaft des Glaubens!»
Schnauf geht nicht aus
Dass der Kirche 2000 Jahre nach dem Entstehen der ersten christlichen Gemeinden der Schnauf ausgeht, davor fürchtet sich auch Pfarrer Paul Wellauer aus Bischofszell nicht. Als Gemeindepfarrer, der auch auf mehrere Jahre Gassenarbeit mit Randständigen in den Sozialwerken von Pfarrer Sieber zurückblicken kann, ist er mit einer Kirche vertraut, die keine Berührungsangst hat und auch mal unkonventionelle Wege geht. Wellauer vertraut auf Gemeindebau von unten: «In unserer Gemeinde werden seit Jahrzehnten die geistlichen Gaben vieler Mitglieder geweckt, gefördert und eingesetzt, so wie es in der Urkirche ganz normal war: Jede und jeder kann einen Beitrag leisten zu einer lebendigen und zukunftsfähigen Kirche. Mündige Gemeindeglieder sind Kopf, Herz und Hände eines vielfältigen und farbigen Gemeindelebens.»
Tagung «jünger – grösser – reicher», Samstag, 16. November 2019, evangelisches Kirchgemeindehaus Frauenfeld. Infos und Anmeldung: www.evang-tg.ch/nc/agenda
(31. Oktober 2019, Brunhilde Bergmann)
Warum nicht jünger, grösser, reicher?