Von Flüe, Calvin und Zwingli als Leinwandhelden
Calvins Augen gleiten über die Seiten des alten Buches. Der dichte Bart und seine schwarze Robe verleihen ihm die Strenge, die die Genfer so fürchteten. «Nein so geht das nicht», unterbricht Rainer Wälde die Dreharbeiten. «Das sieht so aus, als würdest du dein Handy lesen. Die Augen müssen ruhiger sein. Und das Ganze glänzt mir zu fest», ruft der Regisseur in den Raum. Sofort eilt die Maskenbildnerin herbei, um Calvin den Schweiss der historischen Last aus dem Gesicht zu tupfen.
Das historische Zimmer im Basler Erasmusmuseum bildet eines der Sets zum neuen Dokumentarfilm über die «Schweizer Lichtgestalten» Niklaus von Flüe, Jean Calvin und Huldrych Zwingli. Während zwei Wochen reist die Filmcrew von Regisseur Rainer Wälde durch die Schweiz. An den Originalschauplätzen drehen sie Beiträge zum Entstehen der drei grossen helvetischen Glaubenstraditionen: Katholizismus, Calvinismus und Zwinglianismus.
Schweizer Reformation: den Deutschen unbekannt
Über von Flüe, Calvin und Zwingli wusste der Regisseur wenig: «Den Deutschen ist die Schweizer Reformation relativ unbekannt.» Zu Beginn bekundete Wälde mit den Figuren Mühe: Mit dem Bauer Niklaus, der seine Frau und die Kinder verliess, um im Wald zu leben, mit Zwingli, der die Täufer bekämpfte, und mit dem radikalen Glauben Calvins. Doch je intensiver er sich mit den drei Figuren beschäftigte, umso vertrauter wurden sie ihm. Vor allem für Niklaus von Flüe, der in der Stille und Einkehr Gott suchte, habe er Sympathie entwickelt.
Die ersten Dreharbeiten fanden im Marburger Schloss statt. Im historischen Lutherzimmer trafen der deutsche Reformator und Zwingli einst zusammen und diskutierten über das Abendmahl. Im Film kommentiert Ex-Bischöfin Margot Käßmann dieses Religionsgespräch aus heutiger Sicht. «Mit Luther und Käßmann ziele man auf den deutschen Markt», sagt der Regisseur.
Wie die Geschichte lehrt, kam es in Marburg zwischen den beiden Reformatoren zum Streit. Nicht nur aus theologischen Gründen, erzählt Wälde.
«Mit dem Geld wollte ich etwas Sinnvolles tun»
Der Toggenburger Pfarrer Hans Jörg Fehle agiert bei diesem Projekt als Co-Produzent. Vor einiger Zeit erhielt Fehle ein grösseres Erbe. «Mit dem Geld wollte ich etwas Sinnvolles anfangen.» Er erzählte einem Freund davon, dass er das Schweizer Reformationsgedenken und die Feier zu 600 Jahre Bruder Klaus miteinander verbinden möchte. Der stellte den Kontakt zum passenden Partner, dem Regisseur Rainer Wälde, her.
Seit zwanzig Jahren arbeitet der Limburger Filmemacher für NBC, Super Channel, den MDR und RTL. Sein Film «Im Segen der irischen Mönche: Columban und Gallus verändern Europa» gewann 2012 einen silbernen Globe beim «WorldMediaFestival».
Radikale Biografien, existenzielle Lebensfragen
Für Hans Jörg Fehle stehen Niklaus von Flüe, Calvin und Zwingli mit ihren radikalen Biografien für die «grossen existenziellen Fragen des Lebens»: Wozu bin ich auf der Welt? Was ist meine konkrete Aufgabe? Und wie weit bin ich bereit, dafür zu gehen? Hans Jörg Fehle hofft, dass der Film das Schweizer Publikum zu einer Beschäftigung mit den christlichen Wurzeln bringt und einen Beitrag zu einer gesamtschweizerischen Erinnerungskultur leistet.
Der Bezug zur Gegenwart steht für Regisseur Wälde im Vordergrund. «Braucht es eine neue Reformation?», wollte Wälde von Margot Käßmann wissen. Die «Botschafterin des Reformationsjahres» sieht vor allem im Bildungswesen Reformbedarf, um all die Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen, zu integrieren. Und der Regisseur selbst? Für Wälde braucht es eine Reformation zurück zu den christlichen Wurzeln. «Wenn die Christen und Christinnen sich wieder stärker auf ihren Glauben und ihre christlichen Wurzeln besinnen würden, brauchten sie keine Angst vor Andersgläubigen zu haben.»
Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».
Tilmann Zuber / Kirchenbote / 7. September 2016
Von Flüe, Calvin und Zwingli als Leinwandhelden