News aus dem Thurgau

Überall Krieg: Was macht das mit uns?

von Ernst Ritzi
min
16.10.2024
Täglich sind sie zu sehen: die Bilder von Krieg, Gewalt und Terror im Libanon, in Gaza, in Israel, in der Ukraine, im Sudan und in Jemen. Ratlos und ohnmächtig sehen wir das Leid und Elend. Wie damit umgehen? Nicht mehr hinsehen? Helfen? Beten?

Auch die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz (EKS) tut sich in ihrem Aufruf zum Jahrestag des Terroranschlags der Hamas vom 7. Oktober 2023 unter dem Titel «Gedenken und Solidarität in Zeiten des Leids» nicht leicht: «Unsere Gedanken gelten allen, die von dieser Tragödie betroffen sind, unabhängig von ihrer Herkunft oder Religion. Das unsägliche Leid, das auf beiden Seiten zu spüren ist, mahnt uns eindringlich, wie dringlich der Ruf nach Frieden und Gerechtigkeit in dieser Region ist.»

«Friede muss kein frommer Wunsch bleiben»
Konkret verweist die EKS auf die Arbeit und die Nothilfe des kirchlichen Hilfswerks Heks hin, das «inmitten dieser humanitären Katastrophe» aktiv sei und sich im Libanon für die Unterstützung von palästinensischen Flüchtlingen und den Schutz der Menschenrechte einsetze. Weiter ermuntert die EKS zum Gebet: «Wir denken an unsere protestantischen Partnerkirchen, die unter schwierigen Bedingungen Orte der Hoffnung sind, inmitten des Grauens. Gemeinsam mit unseren Partnern im Nahen Osten wollen wir zu Heilung und Versöhnung beitragen, wo immer dies möglich ist. Friede muss kein frommer Wunsch bleiben. Dazu braucht es Menschen, die sich dort, wo sie sind, in den Dienst des Friedens stellen. Für sie beten wir, an sie denken wir ganz besonders.»

«Beten kann helfen»
Dorothee Wüst, Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche der Pfalz, hat ihre Gefühle zum 7. Oktober mit «Ohnmacht, Hilflosigkeit und Entsetzen» beschrieben. Das Beten könne eine grosse Kraftquelle sein, um aus dieser lähmenden Situation herauszukommen. Dann falle es leichter, über Perspektiven nachzudenken, wie der Frieden und das Leben in den Kriegsgebieten wieder möglich werden könnten. Die Redaktion des Kirchenboten hat eine Pfarrerin und einen Jugendarbeiter gebeten, zu beschreiben, wie sie mit der aktuellen Situation und den Bildern der zahlreichen Kriege auf dieser Welt umgehen.

Das meinen Rosemarie Hoffmann und Mathias Wegmüller:

 

Waffen schaffen keinen Frieden

Pfarrerin Rosemarie Hoffmann, Pfarrvertretung in Eschlikon, wohnhaft in Ostrach/D
Pfarrerin Rosemarie Hoffmann, Pfarrvertretung in Eschlikon, wohnhaft in Ostrach/D

«Seit Monaten erreichen uns Botschaften von Kriegen, Leid und Zerstörung in der Welt. Unerträglich für die meisten Menschen. Viele blenden die Nachrichten aus, um seelisch zu überleben. Unsicherheit und Misstrauen machen sich breit, nichts ausrichten zu können. Viele haben Angst, dass der Krieg sich ausdehnt.

Was sind meine Gedanken dazu? Leben ist das Kostbarste, was Gott schenkt. Durch Kriege sterben unschuldige Frauen und Kinder, Väter und Söhne, weil skrupellose Herrscher sich an Territorium und Macht bereichern wollen. Waffen schaffen keinen Frieden; sie verschlimmern die Situation für viele notleidende Menschen. Es braucht mutige Menschen, Pazifisten, die nach friedlichen Wegen suchen und zusammenstehen. Menschen, die sich trauen den Mund aufzumachen gegen die Kriegstreiberei.

Schon im Alten Testament gab es viele Kriege. König Salomos hohe Weisheit bestand darin, dass er Gott nicht um Reichtum und nicht um den Tod seiner Feinde bat, sondern um ein 'hörendes Herz'. Den Menschen, die schwere Entscheidungen heute zu treffen haben, ist diese Weisheit zu wünschen. Ich denke auch an die Botschaft Jesu, der Frieden und Gewaltlosigkeit lehrte. Das Gebot der Feindesliebe heisst nicht, sich passiv dem Bösen zu unterwerfen. Aber es fordert ein aktives gewaltfreies Auftreten mit dem Ziel, Unrecht und Leid zu überwinden, die Kette der Gewalt zu durchbrechen.»

Nächstenliebe leben

Mathias Wegmüller, Kinder- und Jugendprojekt Arche in Kreuzlingen, www.die-arche.ch
Mathias Wegmüller, Kinder- und Jugendprojekt Arche in Kreuzlingen, www.die-arche.ch

«Die Kriege und Konflikte dieser Welt betreffen und verunsichern nicht nur uns Erwachsenen, sondern auch unsere Kinder und die Jugendlichen, die täglich die Arche besuchen. Heute habe ich Kinder, die von ihren Familienangehörigen in den Krisenregionen erzählen. Auf einmal wird ein Krieg ganz nah und persönlich. Die Konflikte haben das Potential, uns auseinander zu treiben. Manchmal kommen Kinder zu uns in die Arche und fragen: 'Bist Du Team Gaza oder Team Israel?'. Gerade dieser Konflikt hat zu Spannungen geführt und wir erleben, dass dies auch die Kinder betrifft. Auf einmal müssen sie sich für eine Seite entscheiden…

In solchen Situationen ist es umso wichtiger, dass wir zur Versöhnung beitragen und Nächstenliebe ganz praktisch leben. In unserem Alltag mit den Kindern reden wir über Wut, Trauer und Hass. Tief in unserm Herzen spüren wir alle die Sehnsucht nach Frieden und Annahme.

Nächstenliebe bedeutet für mich nicht vorgefertigte Parolen oder schnelle Antworten. Sie zeigt sich im gelebten Miteinander. Ich kann diese Liebe und diesen Frieden nur ausstrahlen, wenn ich sie selbst empfangen habe. Hier kommt für mich der persönliche Glaube an Jesus Christus ins Spiel. Er zeigt uns, was es bedeutet, seine Sicherheit bei Gott zu finden. Ich möchte trotz aller Unsicherheiten immer wieder bei Gott meine Ruhe finden, um fähig zu sein, echte Nächstenliebe zu leben.»

 

 

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