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Treue Blätter, wechselnde Bedeutungen

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01.12.2022
Deko oder Symbol? Oder beides? Im «Christbaum» steckt viel mehr als die perfekt gestylten Bäume in den Warenhausdekorationen vermuten lassen. Der Nadelbaum zur Weihnachtszeit hat eine Geschichte voller Bedeutungswechsel.

«O, Tannenbaum!» So wiederholt es eines der bekanntesten deutschsprachigen Weihnachtslieder. Nicht die Biologie, sondern die Werte, die es vermitteln will, stehen im Vordergrund: «...wie treu sind deine Blätter». Und ist es auch sicher ein Nadelbaum, der im Text seit 1824 beschrieben wird – auf das «immergrüne» Erscheinungsbild kam und kommt es an.

«Immergrüne Hoffnung»
Immergrün hat in der Geschichte lange Tradition. Sie reicht in die vorchristliche Zeit hinein. Es ist Symbol für die Sehnsucht nach erfülltem, nicht vergehendem Leben. Biblisch und christlich ergibt sich jedoch noch mehr.

Im Mittelalter war es üblich, die Paradiesgeschichte als Spiel zu inszenieren – eine Art Glaubensbildung für die nicht lesende Bevölkerung, ermahnend und aktualisierend zugleich: der «alte Adam». Bevor vom «neuen Adam», von Christus und seiner Geburt, die Rede sein kann. Und davon, dass Gott mit ihm die Erlösung des Menschen aus seiner Gottferne bewirkt.

Um die alttestamentliche Paradieserzählung darzustellen, brauchte es einen grünen Baum – mitten im Winter. So konnte das Pflücken des Apfels dargestellt werden, das wiederum an die Haltung des Menschen mit seinem fehlenden Vertrauen und seiner Auflehnung gegen Gott erinnerte. Und an das Ende des paradiesischen Friedens sowie an den Beginn der Mühe und der Sehnsucht des Menschen nach dem, was verloren war.

Paradiesbaum und Christbaum
Mit den Jahren wurde dieser Tannenbaum immer «paradiesischer». Er wurde mit «Paradiesäpfeln », Gebäck und Nüssen behängt. Seine «Rolle» scheint sich zunehmend gewandelt zu haben. Nach der Reformation, Anfang des 17. Jahrhunderts, fand der geschmückte immergrüne Baum als «Christbaum» seinen Platz immer mehr in den Häusern der Menschen.

Als Symbol, dass sich auch so deuten lässt: Die Menschen setzten in ihrem alltäglichen Lebensumfeld ein Zeichen dafür, dass die menschgewordene Liebe Gottes – Jesus Christus – am ersten Weihnachtsfest ganz direkt, ganz unvermittelt und nah in diese unparadiesisch gewordene Welt kam. Dass er kam, um den Bund mit den Menschen neu zu besiegeln.

Gott schenkt sich auch heute
«Nur Deko» bleiben die geschmückten Tannenbäume, deren Bedeutung nicht mehr verstanden wird. Vielleicht braucht es in der Öffentlichkeit immer mehr von ihnen, weil die Menschensehnsucht immer mehr wächst – nach Frieden, nach Freude, nach paradiesischen Zuständen, die sich nicht im Weihnachtsmenü erschöpfen. Ob der Tannenbaum zum Christbaum wird, liegt wohl am ehesten am Betrachtenden, an seiner Offenheit für die weitere Dimension der Dinge jenseits des Materiellen und seiner Vertrauens-, ja Hoffnungsund Glaubensbereitschaft. Denn Gott schenkt sich auch heute.

 

(Karin Kaspers Elekes)

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