News aus dem Thurgau

Thurgau reagiert auf die Volkskrankheit

min
11.02.2017
Bis 2030 soll sich die Anzahl Demenzerkrankter in der Schweiz verdoppeln. Grund dafür ist die Alterung der Bevölkerung. Eine Behandlung der Ursachen ist nicht in Sicht. Der Kanton Thurgau hat die Zeichen erkannt.

Von Detlef Kissner und Trudi Krieg

Schätzungsweise 120‘000 Menschen in der Schweiz leiden unter Demenz. Schon heute ist die Krankheit der häufigste Grund für Pflegebedürftigkeit im Alter. Das hat damit zu tun, dass die Behandlungsmöglichkeiten sehr eingeschränkt sind. Gerald Weber-Luxenburger, Oberarzt der Externen Psychiatrischen Dienste Thurgau, erklärt: «Wir können nur die Symptome behandeln, nicht aber die Ursachen.» In der Forschung habe man bis heute noch nicht den entscheidenden Durchbruch erzielt. So kann man den Verlauf einer Demenz-Erkrankung bestenfalls verlangsamen. «Ein Patient kann drei Jahre lang stabil sein, bei einem anderen kann es trotz Intervention sehr schnell abwärts gehen», sagt der Experte. Schliesslich könne Demenz auch zum Tod führen.

Zahlen sind alarmierend

Vor einer Demenz-Erkrankung gebe es zudem keinen sicheren Schutz, sagt Weber-Luxenburger. Ein gesunder Lebensstil – nicht rauchen, ausgewogene Ernährung, ausreichend Bewegung – sei das einzige, was man vorbeugend tun könne. In Verbindung mit der Alterung der Bevölkerung gehen Experten deshalb davon aus, dass sich die Zahl der Demenzerkrankten in der Schweiz bis zum Jahr 2030 auf 240‘000 verdoppeln wird. Das Risiko, an Demenz zu erkranken, steigt nämlich mit dem Alter: Während bei den 65-Jährigen schätzungsweise acht Prozent davon betroffen sind, ist es bei den über 90-Jährigen fast ein Drittel. Diese alarmierenden Zahlen sind auch dem Kanton Thurgau nicht entgangen. Er gab einer Projektgruppe die Ausarbeitung eines Geriatrie- und Demenzkonzepts – also eines Konzepts zu Altenmedizin und Demenz – in Auftrag, das der Regierungsrat bereits im Frühling 2016 genehmigt hat.

Immer mehr Angebote entstehen

Das Konzept umfasst alle relevanten Bereiche – von der Früherkennung, über die stationäre Akuttherapie bis zum Wissen für Angehörige. «Es ist eine grosse Chance für den Kanton Thurgau», sagt Susanna Schuppisser. Die stellvertretende Chefin des Amts für Gesundheit beim Kanton Thurgau leitete die Projektgruppe. «Wo im Konzept nur generelle Impulse gesetzt wurden, beginnen sich verschiedene regionale Aktivitäten, lokale Netzwerke und Anlaufstellen zu bilden», kann Schuppisser schon nach kurzer Zeit bilanzieren und konkretisiert: Im Kantonsspital Münsterlingen sei eine geriatrische Station aufgebaut worden, die hochaltrige, mehrfach erkrankte Menschen behandelt. Im Kantonsspital Frauenfeld würden die Abläufe in der Chirurgie am Bewegungsapparat – zum Beispiel bei einem Notfalleintritt nach einem Sturz – auf gebrechliche und möglicherweise vergessliche Menschen ausgerichtet. In Arbon werde in diesem Jahr eine Anlaufstelle und Drehscheibe geplant. Zudem eröffne die Alzheimervereinigung im Verlauf dieses Jahres in Zusammenarbeit mit Pro Senectute mindestens sechs regionale Informationsstellen. An diesen soll sich jedermann über das Krankheitsbild und die Anlaufstellen informieren können.

Unsere Empfehlungen

Die Kirche geht zu den Menschen

Die Kirche geht zu den Menschen

Im Frühling wird der Romanshorner Pfarrer Lars Heynen Präsident der Redaktionskommission des Kirchenboten. Im Interview sagt er, wie er sich die Zukunft des viel gelesenen Blattes vorstellt.
Starke Beziehungen trotz sozialer Medien

Starke Beziehungen trotz sozialer Medien

Eine Vorliebe für Technologie, immer online, ungeduldig und fordernd, gesundheits- und umweltbewusst, mit einer Sprache, die man sonst kaum versteht: Wie die «Generation Z» auch Thurgauer Kirchgemeinden fordert.
Das Hungertuch sensibilisiert

Das Hungertuch sensibilisiert

Recht auf Nahrung, Essensproduktion und Ernährungsgewohnheiten: Diesen Themen widmet sich die Ökumenische Kampagne 2023 während der Passionszeit. Einen Beitrag zur Sensibilisierung leistet das Hungertuch.
Beten ist Beziehungspflege

Beten ist Beziehungspflege

Kein Leben ohne Atmen. Kein Glauben ohne Beten. Das Gebet ist existenziell bedeutsam für das Glaubensleben. In ihm geschieht Anrede und die Hoffnung auf Antwort. Wie auch immer diese sich gestaltet: Beten ist Beziehungspflege und Gemeinschaftsvergewisserung.