Surfen auf der Kirchenbank
Es tönt nach Witz, und war zunächst auch einer: Die Satire-Website «Der Postillion» berichtete 2011, die evangelische Kirche in Deutschland installiere in allen Kirchen drahtlose Netzwerke mit Hochgeschwindigkeitsinternet (WLAN). So wolle sie die nachlassende Beteiligung an den Gottesdiensten bekämpfen.
Nun setzt die evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EBKO) diese Idee um. 220 Kirchen, Pfarrhäuser und kirchliche Einrichtungen in Berlin werden in den kommenden Wochen mit einem WLAN-Hotspot ausgerüstet. Mit «Godspot» lässt sich innerhalb und ausserhalb der Kirchengebäude gratis surfen. Markus Dröge, Bischof der EKBO, sieht darin laut einer Nachricht des deutschen evangelischen Pressedienstes eine Chance, die Botschaft des Evangeliums zu verbreiten.
Gehört zur technischen Grundausstattung
Nutzer des freien WLAN werden zunächst auf eine von den Kirchengemeinden gestaltete «Landing-Page» geleitet. Sie bietet Informationen zum Gebäude und zur Gemeinde sowie zu den Themen Glaube und Leben. Von dort aus können sich die User frei im Internet bewegen. Die Kirche lässt sich das etwas kosten: 100‘000 Euro stellt sie zur Verfügung. Ziel soll sogar sein, in allen 3‘000 Kirchen und kirchlichen Gebäuden der EKBO Godspot einzurichten.
Und wie steht es in den reformierten Kirchen der Schweiz mit dem Zugang zum Internet? Freies WLAN in Kirchen scheint hierzulande noch kein Thema zu sein. Hingegen steht WLAN für den internen Gebrauch da und dort zur Verfügung. Für die Einwahl bekommen die Nutzer einen Code. Im Berner Münster oder im Offenen St. Jakob in Zürich gehört das zur technischen Grundausstattung. «Wir hatten es eingerichtet, um bei einer Fotovernissage direkt mit dem Künstler in Afghanistan skypen zu können», sagt Hanny Sidler, Sigristin der reformierten Citykirche. Für einen Gottesdienst haben sie es bis jetzt aber nicht gebraucht.
Potential liegt in einer Gesamtschau
Im Berner Münster nutzen den geschützten Internet-Zugriff Veranstalter von kulturellen Anlässen. Felix Gerber, Sigrist und Betriebsleiter des Berner Münsters, sieht hingegen freies WLAN eher skeptisch: «Unsere Kirchen sind unter der Woche dafür da, ein Ort der Ruhe und Einkehr, der Besinnlichkeit und des Gebets zu sein.» Er findet, dass sich ein Café besser eignet zum Surfen im Netz. Er gewinnt der Berliner Idee aber auch Positives ab. Ihm gefällt die Idee der Landing-Page, die Hintergründe zum Bau und zum spirituellen und kulturellen Angebot der Kirche bietet. Das habe durchaus auch Potential fürs Münster: «Dies könnte bei uns die aufwändige Lösung mit dem Audioguide ablösen.»
Wenn überhaupt, dann schwebt ihm aber eine gesamtstädtische Landing-Page vor. Er hat auch schon Ideen, was sie enthalten könnte: Ein Führer durch die Orgel-Landschaft von Bern oder ein Hinweis auf das Haus der Religionen, aber auch wann und wo welche kirchlichen Feiern angeboten werden. Das müsse aber ökumenisch oder gar interreligiös angegangen werden. Gerber meint, dass dann womöglich die Vorteile überwiegen, die sonst örtlich durch freies WLAN entstehen. Nämlich weniger Ruhe und Besinnlichkeit.
Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch»
Raphael Kummer / ref.ch / 6. Juli 2016
Surfen auf der Kirchenbank