News aus dem Thurgau

Sie schafft Raum für die Natur

von Cyrill Rüegger
min
22.08.2024
Eine Eidechse sonnt sich in der Totholzhecke. Daneben steuert eine Wildbiene auf die Blumenwiese zu. Mesmerin Jasmin Deck hat rund um die Propstei Wagenhausen viele kleine Lebensräume geschaffen. Sie träumt davon, dass weitere Kirchgemeinden der Natur mehr Platz einräumen.

«Als Christin wünsche ich mir, dass die Biodiversität nicht vor der Kirchentür aufhört.» Jasmin Deck-Allemanns Augen strahlen Entschlossenheit aus, wenn sie auf das Thema Biodiversität angesprochen wird. Man merkt: Diese Frau hat eine Mission. Sie möchte die Kirchenverantwortlichen motivieren, der Natur mehr Platz zu geben. «In der Bibel und in Kirchenliedern wimmelt es nur so von Vögeln, Natur und Biodiversität. In der Realität aber blüht um kaum eine Kirche eine Blumenwiese», betont Deck. Der viel zitierten «Bewahrung der Schöpfung» sollen mehr Taten folgen, fordert sie.

Viele Kleinstrukturen angelegt

Im Gespräch wird schnell klar: Das Engagement für die Natur ist für Jasmin Deck eine Herzensangelegenheit. Es ist kein Profilierungsdrang, der sie antreibt. Und sowieso: «Ich möchte lieber anpacken anstatt reden.» Das macht sie unter anderem als Mesmerin in der Evangelischen Kirchgemeinde Wagenhausen: Die Propstei – ein ehemaliges Benediktinerkloster direkt am Hochrhein, das heute als evangelische Kirche dient – ist ihr Lieblingsraum. Oder besser gesagt: die Umgebung der Propstei.

In kleinen Schritten hat sie die Grünflächen wieder näher an die Natur gebracht: Diesen Frühling konnte sie sogar auf die Unterstützung einer Schulklasse zählen, um zwei Totholzhecken anzulegen, die Insekten und Eidechsen als Unterschlupf dienen. Die Hecken sind ein Teil der sogenannten Kleinstrukturen, die Jasmin Deck seit dem letzten Jahr um die Propstei geschaffen hat. Dazu zählen zudem Wurzelstöcke, Reptilienburgen, Ast- und Laubhaufen, Sandgruben für Wildbienen und – ganz neu – eine Buntbrache. Sie soll Insekten und Vögeln in naher Zukunft das ganze Jahr hindurch als Nahrungsquelle dienen.

Jasmin Deck erklärt: «Der Mensch ist auf bestäubende Insekten angewiesen. Von den weltweit 107 am häufigsten angebauten Kulturpflanzen werden 91 in unterschiedlichem Ausmass bestäubt.»

 

Totholzhecke mit Infotafel. (Bild: Manuel Ditthardt)
Laubhaufen. (Bild: Manuel Ditthardt)
Asthaufen. (Bild: Manuel Ditthardt)
Diverse Kleinstrukturen. (Bild: Manuel Ditthardt)
Diverse Kleinstrukturen. (Bild: Manuel Ditthardt)
Blühstreifen. (Bild: Manuel Ditthardt)
Diverse Kleinstrukturen. (Bild: Manuel Ditthardt)
Blick in die Propstei. (Bild: Manuel Ditthardt)
Wurzelstock. (Bild: Manuel Ditthardt)

 

Friedhofswiese mähen?

«Die Eidechsen haben die Totholzhecke, die Reptilienburg und den Wurzelstock schnell in Beschlag genommen», sagt Jasmin Deck. «Und kürzlich habe ich am Abend zwei Igel gesichtet, die bei einer Hecke Unterschlupf suchten.» Sie ist ein Stück weit Idealistin, aber keine Fantastin: Ihr ist bewusst, dass die Kleinstrukturen keine Wunder vollbringen können. Die Tier- und Insektenwelt blühe deswegen nicht von heute auf morgen neu auf. «Aber sie schaffen neue Lebensräume für diejenigen Tiere, die da sind. Je mehr solcher Kleinstrukturen es gibt, desto besser funktionieren sie als natürliches Netzwerk.»

Aus diesem Grund lässt Jasmin Deck das vielgehörte Argument, wonach für die Förderung der Biodiversität der Platz fehle, nicht gelten: «Schon auf kleinen naturnahen Fleckchen kann das Leben gedeihen.» Kirchgemeinden, beziehungsweise das Land rund um kirchliche Gebäude, böten besonders grosses Potenzial. «Wer sagt zum Beispiel, dass ein Friedhof immer sauber gemäht sein muss?», fragt Jasmin Deck provokativ. Friedhöfe seien aufgrund ihrer Strukturvielfalt (häufig alter Baumbestand, viel Grünfläche) sehr interessant für biologische Vielfaltsförderung.

Auch die Kirchgebäude selbst könnten mit relativ einfachen Mitteln tierfreundlich ergänzt werden, beispielsweise mit Nistkästen für Mehlschwalben und Mauersegler. Dank Decks Engagement sind rund um ihren Wohnort Eschenz schon rund 90 Kunstnester für Schwalben montiert worden. Und ihren eigenen, naturnahen Garten hat die Naturschutzorganisatorin Pro Natura bereits mit zwei Schmetterlingen zertifiziert.

 


Per Klick den Garten der Propstei Wagenhausen in 360 Grad erkunden.


Per Klick die Propstei Wagenhausen in 360 Grad erkunden.


Kinder tragen Begeisterung weiter

Ihren Grosseinsatz für die Natur leistet Jasmin Deck, die von Beruf Hauspflegerin ist, fast ausschliesslich unentgeltlich. Sie ist überzeugt, dass es in jeder Kirchgemeinde Menschen gibt, die gerne bereit sind, mitanzupacken – zum Beispiel Konfirmandinnen, Sonntagsschüler und Seniorinnen. Dieses Potenzial gelte es zu nutzen. Ein wichtiger Erfolgsfaktor sei die Begeisterungsfähigkeit von Kindern: «Meine Erfahrung zeigt, dass sie jeweils tatkräftig mithelfen, wenn sie etwas für die Natur tun können. Und sie sind Sympathieträger, die möglichen Kritikerinnen und Kritikern rasch den Wind aus den Segeln nehmen.»

Jasmin Deck ist überzeugt, dass letztlich jede und jeder Einzelne in der Verantwortung steht, etwas für die Biodiversität zu tun. Die Arbeit für die Natur sei im wahrsten Sinn des Wortes «Gottesdienst» – einfach ausserhalb der Kirchenmauern.

 

Öffentlicher Infoanlass zum Umweltzertifikat «Grüner Güggel» mit Christina Aus der Au und Gaby Zimmermann: Freitag, 25. Oktober, 19.30 bis 21 Uhr (anschl. Apéro), Propstei Wagenhausen. Anmeldung: jasmindeck@gmx.net

 

Erde bebauen und bewahren


Selina (7) gewann mit ihrer Zeichnung den Malwettbewerb.

«Gott, der Herr, brachte den Menschen in den Garten Eden. Er sollte ihn bebauen und bewahren.» (1 Mose 2,15) Im ersten Buch Mose wird die Beziehung des Menschen zur Erde und zur Natur thematisiert. Der Mensch erhält den Auftrag, den Garten Eden zu bebauen.

Er soll seine natürliche Umgebung also durchaus zu seinem Vorteil nutzen – beispielsweise, indem er die Obstbäume bewirtschaftet und Weizenfelder anlegt. Und, indem er sich ein Zuhause errichtet. Gleichzeitig gilt es, dem Garten Eden nicht zu schaden. Der Mensch soll die Natur erhalten, denn: Nur dank reicher Blüte und einer funktionierenden Tierwelt bleibt sie für den Menschen nützlich. (cyr)

 

Biodiversität: Alle Zeichnungen entdecken

Angelika.
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