Seelsorge mildert Urängste
Alex Hutter und Esther Walch Schindler haben beide langjährige Erfahrungen mit Menschen mit Demenz. Den Zugang zu jenen Menschen empfinden sie als unterschiedlich einfach.
Alex Hutter, katholischer Spitalseelsorger in Frauenfeld, sagt: «In meiner Familie war irgendwann Demenz ein Thema, davor hatte ich wenig Erfahrung damit. Inzwischen gehe ich gerne auf Menschen in der Demenzabteilung im Spital zu. Ist jemand aggressiv, so hat dies meist mit der Orientierungslosigkeit, dem Gefühl, eingeengt zu sein, zu tun. In solchen Situationen laufe ich mit der Person herum, rede und höre zu. Das entlastet auch das Personal.»
Wer bin ich noch?
Bei Esther Walch Schindler macht sich etwas Berührungsangst bemerkbar. Sie ist Pfarrerin in den Alters- und Pflegezentren Park, Tertianum Friedau und der Alterssiedlung Reutenen. «Ich muss mich darauf einstellen und ruhig zu den Menschen gehen. Nichts kann im Voraus geplant werden», stellt Walch Schindler fest.
Diese Menschen stellten sich existenzielle Fragen: Wer und was bin ich noch? Bin ich ganz allein? Das sei genau der Moment, in dem Seelsorge helfen könne, die Urängste zu mildern, sind sich Alex Hutter und Esther Walch Schindler einig.
Gebete sind tief verankert
Die beiden werden an der kommenden Fachtagung in Palliative und Dementia Care in der Kartause Ittingen einen Workshop leiten. Das Fortbildungsangebot ist für Fachpersonen und Freiwillige gedacht, die sich für chronisch- und schwerkranke Menschen interessieren.
Esther Walch Schindler hat in ihren Begegnungen mit Demenzbetroffenen gute Erfahrungen mit Musik gemacht. Früher habe man beim Abwaschen zusammen gesungen. Viele ältere Demenzerkrankte könnten Lieder auswendig mitsingen oder den Psalm 23 (Der Herr ist mein Hirte) mitbeten. Alex Hutter betet oft den Rosenkranz mit oder besorgt Weihwasser. «Gebete wie das Vater unser, beziehungsweise Unser Vater sind ganz tief verankert», sagt Hutter.
Unterstützung annehmen
Walch Schindler bezweifelt, dass die heutige junge Generation ähnliche gemeinsame Rituale kennt und pflegt. Aber Demenz könne jeden und jede treffen, manchmal auch schon ab 50 Jahren. Es gebe verschiedene Erkrankungen. Altersvergesslichkeit könne durch Mangelernährung ausgelöst werden. Ob und um welche Art von Demenz es sich handelt, müsse unbedingt fachlich abgeklärt werden.
«Oft nimmt die Umgebung die Veränderung zuerst kaum wahr, sondern erst, wenn der betroffene Mensch sich zurückzieht, verängstigt und orientierungslos wirkt. Abklärung, Beratung und Unterstützung für die betroffene Person wie auch für die Angehörigen sollten unbedingt angenommen werden», sagt Alex Hutter. Mittlerweile gebe es Angebote wie Tageskliniken und weitere Institutionen, die Angehörige entlasten.
Traurige und heitere Momente
Wichtig für den Umgang mit demenzerkrankten Menschen sei das Wissen, betont Alex Hutter: Man sei im Hier und Jetzt. Daraus entständen teils traurige, teils heitere Momente. Wenn etwas beispielsweise vermisst werde, könne man mitsuchen und herausfinden, was der Gegenstand bedeute. Oder wenn ein Patient sich in einem Fünfsternehotel wähne statt in einem Spital, lasse man ihn gern in diesem Glauben.
Schwere Momente gebe es, wenn etwa eine Pflegefachfrau eine beginnende Demenz feststelle und genau wisse, was auf sie zukomme. «Lachen und Weinen – das liegt beim Umgang mit demenzerkrankten Menschen nahe beieinander», sagt Hutter.
«Sorgende Gemeinschaft sein. Demenz geht uns alle an!»
Was? Tagung zum Umgang mit Menschen mit Demenz
Wann? Samstag, 24. Februar, 8.45 bis 17 Uhr
Wo? Kartause Ittingen
Seelsorge mildert Urängste