Schutz für hohe Feiertage lockern?
Mit der Revision des Ruhetagsgesetzes soll das bisher geltende grundsätzliche Verbot von nicht-religiösen Veranstaltungen am Karfreitag, Ostersonntag, Pfingstsonntag, am Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag und am ersten Weihnachtstag aufgehoben werden. In der Diskussion im Grossen Rat waren die Meinungen geteilt. Das Gesetz wird einer Volksabstimmung vorgelegt.
Vorschlag orientiert sich an St. Galler Regelung
Den Anstoss zur Gesetzesänderung hatte eine Parlamentarische Initiative gegeben, die dem zunehmenden gesellschaftlichen Wunsch, an den hohen Feiertagen in einem definierten, engen Rahmen auch Veranstaltungen nicht-religiöser Art zuzulassen, zum Durchbruch verhelfen wollte. Der Vorschlag der Regierung orientiert sich an der Regelung, die sich im Nachbarkanton St. Gallen seit 20 Jahren bewährt hat.
Thurgauer Kirchenräte: «Wohl nicht aufzuhalten»
Im Eintretensreferat der vorberatenden Kommission wurde unter anderem darauf verwiesen, dass sich «auch kirchliche Kreise und Gewerkschaften mit der Anpassung einverstanden erklärt» hätten. Die Thurgauer Kirchenräte hatten in ihrer gemeinsamen Vernehmlassungsantwort festgehalten, dass «die vorgeschlagene Lockerung der Ruhe an den hohen Feiertagen wohl nicht aufzuhalten» sei. Die beiden Kirchenräte haben aber deutliche Vorbehalte geäussert: «Mit der vorgeschlagenen Lockerung wird die Feiertagsruhe beeinträchtigt. Ruhe, Besinnung und Einkehr gehören zu unserem gelebten Glauben, sind Ausdruck der christlichen Tradition und Bestandteil der christlich geprägten Kultur unseres Landes.»
Die Redaktion des Kirchenboten hat zwei Mitglieder des Grossen Rates eingeladen darzulegen, warum sie sich für oder gegen die Lockerung des Veranstaltungsverbots an den hohen Feiertagen ausgesprochen haben.
Das meinen Kenny Graber und Elisabeth Rickenbach:
Einander Raum gewähren
Kenny Greber, Kantonsrat SP, Weinfelden
«Die Vielfalt ist ein Wunder, und der Kanton Thurgau zeugt davon. Unser Zusammenleben wird von unterschiedlichen Lebensrealitäten geprägt – und genau das erfordert gegenseitige Offenheit, Verständnis und die Bereitschaft, Kompromisse einzugehen. Das Ruhetagsgesetz muss diesen gesellschaftlichen Wandel widerspiegeln und einen Rahmen schaffen, der sowohl den Wert gemeinsamer Ruhetage anerkennt als auch Raum für individuelle Bedürfnisse lässt. Die Revision des Ruhetagsgesetzes ist kein radikaler Schritt, sondern eine moderate Anpassung an die heutige Zeit. Während einige am bisherigen Gesetz festhalten möchten, wünschen sich andere mehr Flexibilität. Die vorliegende Fassung geht einen vernünftigen Mittelweg: Sie wahrt Traditionen, ohne gesellschaftliche Veränderungen zu ignorieren. Denn Ruhe bedeutet nicht für alle dasselbe. Manche Menschen finden sie im stillen Sonntag, andere an einem freien Tag unter der Woche. Für manche gehören Kultur oder Geselligkeit dazu, für andere ein Moment der stillen Einkehr. Ein Gesetz, das diese Vielfalt zulässt, nimmt niemandem etwas weg – es schafft Raum für verschiedene Lebensweisen, ohne dabei das Gemeinsame aus dem Blick zu verlieren. Ein ausgewogenes Ruhetagsgesetz sorgt für Klarheit und Planungssicherheit ohne starre Verbote oder Unsicherheiten für Gemeinden. Es geht nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch, mit klaren Grenzen und Spielregeln.»
Entschleunigung tut uns allen gut
Elisabeth Rickenbach, Kantonsrätin EVP, Thundorf
«Haben wir in unserem Kanton mit dem Ruhetagsgesetz wirklich ein Problem? Dank der Kirche kommen wir heute in den Genuss von ein paar Freitagen im Jahr. Dies wissen wohl die meisten Arbeitnehmenden zu schätzen. Das Gesetz verlangt ja nicht, dass an den fünf hohen Feiertagen die Bevölkerung die Gottesdienste besuchen muss. Aus meiner Sicht ist die Frage zentral, was uns der Schutz dieser hohen Feiertage wert ist. Unsere Gesellschaft hat sich zu einem 24-Stunden-Betrieb entwickelt. Permanent sind wir mit Ablenkung konfrontiert, die Werbung ist da miteingeschlossen. Im Gegenzug nehmen wir steigende Gesundheitskosten, die Zunahme psychischer und physischer Krankheiten in Kauf. Wäre heute nicht erst recht die Einsicht wichtig, dass das gesellschaftliche Zusammensein nach einer Entschleunigung ruft? Die weitere Liberalisierung des Ruhetagsgesetzes ist der falsche Weg. Die Menschen müssen sich auch Zeiten für Reflexion und Ruhe gönnen. Dieses Gesetz ist deshalb keine Errungenschaft zum Wohle unserer Gesellschaft. Ich meine, dass das Ruhebedürfnis der fünf über das Jahr verteilten Tage höher zu gewichten ist als der Anspruch auf permanente Unterhaltungsveranstaltungen. Fünf Tage, an denen alle wissen, dass dann kein Helfereinsatz für eine Veranstaltung und keine Arbeit im Eventsektor zu leisten ist. Ja, es ist ein Wert und ein Privileg, dass unser Kanton diese Ruhetagsregelung kennt. Die Änderung wäre ein grosser Verlust.»
Schutz für hohe Feiertage lockern?