Schmerzlicher Verlust der Heimat
Die Situation in Armenien ist dramatisch: Innert kurzer Zeit musste das Land über 100'000 flüchtende Menschen aufnehmen, die aus dem umkämpften Gebiet Bergkarabach vertrieben worden waren. Der Kirchenrat der Evangelischen Landeskirche hat deshalb beschlossen, die diesjährige Weihnachtskollekte für die Nothilfe in der Kaukasusrepublik zu verwenden. Zudem unterstützt er die Hilfswerke Little Bridge Schweiz und Christian Solidarity International (CSI) mit je 5000 Franken aus dem Fonds «Solidarität mit bedrängten Christen».
Traumatisiertes Volk
Das Hilfswerk Little Bridge Schweiz ist ganz auf Armenien fokussiert und setzt sich seit Jahren für die dortige Landbevölkerung ein. Heuer hat Kathrin Ritzi aus Sulgen das Präsidium des Vereins übernommen. Ihr Engagement für notleidende Menschen in einem bei uns wenig bekannten Staat ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass familiäre Beziehungen mit Armenien bestehen. «Meine Schwiegertochter Anna ist Armenierin, und ich habe das Land während mehreren Aufenthalten kennengelernt», erzählt die Sulgerin, deren Betroffenheit verständlicherweise besonders gross ist.
Der vom Osmanischen Reich zu Beginn des 20. Jahrhunderts verübte Genozid wirke bis heute nach und habe im armenischen Volk ein kollektives Trauma ausgelöst, gibt die Vereinspräsidentin zu bedenken. Laut Kathrin Ritzi verfolgt Little Bridge Schweiz den Grundsatz «Hilfe zur Selbsthilfe», wobei grosser Wert auf Nachhaltigkeit gelegt werde. «Bei jeder Hilfe wird darauf geachtet, dass keine neue Ungerechtigkeit entsteht», erklärt Ritzi.
Der ehrenamtlich und spesenfrei arbeitende Verein setzt in Armenien Personen ein, welche die Projekte persönlich begleiten und dafür sorgen, dass das Geld im Sinne der Spender eingesetzt wird. Armenien verfüge in der Welt über keine nennenswerte Lobby und habe geopolitisch keinen hohen Stellenwert.
Enorme Herausforderung
Bei CSI mit Sitz im zürcherischen Binz handelt es sich um eine politisch neutrale christliche Menschenrechtsorganisation. CSI ist eine Stiftung, die in 15 Ländern für Religionsfreiheit und Menschenwürde kämpft. Dies geschieht hauptsächlich in Afrika und Asien, aber auch in Nicaragua und aktuell in Armenien, wo man mit der Caritas zusammenarbeitet.
Bei Hilfsleistungen setzt CSI auf die Wirtschaft vor Ort, um diese zu fördern und nachhaltig zu wirken. Das Hauptaugenmerk wird auf die Versorgung mit Lebensmitteln und auf die medizinische Betreuung gelegt. Zudem versucht CSI, die Interessen christlicher Gemeinschaften auf politischer Ebene zu vertreten.
Widerstand wäre zwecklos
«Wir unterstützen verfolgte christliche Minderheiten, missionieren aber nicht», erklärt Reto Baliarda aus Wängi. Er ist Redaktor des CSI-Magazins. Zur Entwicklung im Kaukasus sagt er: «Die Herausforderung für Armenien ist nach dem Exodus der Bevölkerung aus Bergkarabach enorm.» Die Aufgabe, so viele Menschen unterbringen und versorgen zu müssen, sei gigantisch.
Überrascht hat Baliarda das militärische Vorgehen Aserbaidschans nicht. «Der Angriff auf das armenisch besiedelte Gebiet hat sich abzeichnet. Widerstand zu leisten, wäre zwecklos gewesen.» Für Baliarda handelt es sich um einen Konflikt mit ethnischen und religiösen Komponenten. Bergkarabach habe eine christliche Insel in einem muslimischen Meer dargestellt.
Schmerzlicher Verlust der Heimat