Religionsunterricht auch für Muslime?
An einigen Thurgauer Schulen wird islamischer Religionsunterricht für muslimische Kinder angeboten – in Kreuzlingen schon seit 14 Jahren. Medienberichte zum Ausbau des Angebots in anderen Thurgauer Schulgemeinden mit einem hohen Anteil an muslimischen Schülerinnen und Schülern haben zu Missverständnissen und zu einer kontroversen öffentlichen Diskussion geführt.
Interreligiöser Arbeitskreis Thurgau ist Projektträger
Gefördert und unterstützt werden die Projekte mit islamischem Religionsunterricht an vereinzelten Thurgauer Schulen vom Interreligiösen Arbeitskreis im Kanton Thurgau. Es handelt sich dabei um einen Verein, der von Vertretern muslimischer Organisationen im Thurgau und von Persönlichkeiten getragen wird, die dem Bildungswesen und den beiden Thurgauer Landeskirchen nahestehen.
Lehrplanprojekt wird mit finanziellem Beitrag unterstützt
Das Interesse der Medien wurde geweckt, als der Interreligiöse Arbeitskreis Thurgau darüber informierte, dass ein kompetenzorientierter Lehrplan für den islamischen Religionsunterricht an den Thurgauer Schulen erarbeitet werden soll (siehe dazu auch den Artikel «Neuer Lehrplan für den islamischen Religionsunterricht»). Die beiden Landeskirchen unterstützen das Lehrplanprojekt mit einem einmaligen Beitrag von je 4000 Franken. Die inhaltliche Verantwortung für den Lehrplan liegt beim Interreligiösen Arbeitskreis Thurgau. Der islamische Religionsunterricht wird von den muslimischen Organisationen finanziert. Die beiden Landeskirchen sind nicht Mitglied des Vereins. Es bestehen keine institutionellen Verbindungen. Die beiden Kirchenräte stehen dem Anliegen, dass auch muslimische Schülerinnen und Schüler in einem «pädagogisch verantworteten» Rahmen ihre Religion kennen und schätzen lernen sollen, positiv gegenüber.
Die Thurgauer Kirchenratspräsidentin Christina Aus der Au und SVP-Nationalrat Pascal Schmid diskutieren darüber, ob an den Thurgauer Schulen neben dem christlichen Religionsunterricht der beiden Landeskirchen auch islamischer Religionsunterricht angeboten werden soll.
Das meinen Christina Aus der Au und Pascal Schmid:
Wir Kirchen können Religion
Christina Aus der Au, Kirchenratspräsidentin, Frauenfeld
«Thurgauer Kirchen finanzieren islamischen Religionsunterricht! Eine Schlagzeile, die wohl manchen braven Kirchbürger aufgeschreckt hat. Aber zum einen: Dies ist falsch. Und zum anderen: Wäre das wirklich so daneben?
Zum einen: Die Kirchen leisten einen kleinen Beitrag an die Entwicklung eines Lehrplans für einen islamischen Religionsunterricht im Thurgau. Dieser findet bis dato als jeweils breit abgestütztes Projekt in drei Thurgauer Schulgemeinden nach dem württembergischen Lehrplan statt, und der Bund unterstützt dies mit dreimal mehr Geld als die Kirchen. Die Argumentation des Bundesamtes für Polizei: Dies entspreche den Zielen der Verordnung gegen Radikalisierung und Extremismus. Angesichts der jüngsten Nachrichten über radikalisierte Fünfzehnjährige ein dringendes Anliegen.
Zum anderen: Wer hat denn die theologischen und religionspädagogischen Kompetenzen, um einen entsprechenden Lehrplan auszuarbeiten? Wer hat jahrhundertelange Erfahrung in der Auseinandersetzung mit Texten und Traditionen, im Spannungsfeld von Glaube und Herausforderungen der Gesellschaft?
Genau – wir Kirchen. Und deswegen sind wir nicht nur mit Geld dabei, sondern auch mit fachlicher Unterstützung. Damit muslimische Kinder ihre Religion ebenso fröhlich, reflektiert und lebenstauglich kennenlernen dürfen, wie christliche Kinder. Und damit Thurgauer und Thurgauerinnen über Religionsgrenzen hinweg sich die Hände reichen in der Zusammenarbeit für eine lebenswerte Gesellschaft.»
Ein absolutes «No Go»
Pascal Schmid, Nationalrat SVP, Weinfelden
«Dass die beiden Landeskirchen Steuergelder, die für christliche Zwecke erhoben worden sind, für Islamunterricht einsetzen, ist für mich ein absolutes 'No Go'. Ich kann nicht nachvollziehen, warum die Kirchenverantwortlichen auf eine solche Idee kommen.
Eines der Motive sei die Verhinderung von islamischem Extremismus. Das ist aber nicht Aufgabe der beiden christlichen Landeskirchen. Wenn eingewanderte religiöse Extremisten mit Steuergeldern besänftigt werden müssen, um sie von Gewalttaten gegen die hier lebende Bevölkerung abzuhalten, dann stimmt grundlegend etwas nicht mehr.
Jede Religionsgemeinschaft hat sich an die Grundsätze unseres Zusammenlebens, wie sie in den Grund- und Freiheitsrechten unserer Bundesverfassung definiert sind, zu halten. Es gehört zur Integration, dass sich fremde Religionsgemeinschaften an unserer Werteordnung orientieren. Diese ist christlich-abendländisch geprägt. Dazu gehört auch die Gleichstellung von Frau und Mann. Daran muss sich der Umgang des Islam mit Frauen messen. Erstaunlicherweise hört man dazu aus jenen Kreisen nichts, die sonst bei jeder Gelegenheit die Diskriminierung von Frauen beklagen. Wer sich nicht an unsere Rechtsordnung halten will, hat in unserem Land nichts verloren.
Das endlich konsequenter durchzusetzen, ist Aufgabe des Staates. Von den beiden Landeskirchen erwarte ich hingegen, dass sie sich für den Erhalt unserer christlichen Werte einsetzen – und nicht dafür, dass an unseren Schulen der Islam gepredigt wird.»
Religionsunterricht auch für Muslime?