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«Qualitativ gute Pflege von Menschen mit Demenz entsteht im Herzen»

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16.11.2018
Wie können Menschen mit Demenz Freiheit leben? Über diese Frage diskutierten rund 1000 Teilnehmende am sechsten St. Galler Demenz-Kongress in den Olma Hallen. Im Mittelpunkt standen dabei die Wünsche und Hoffnungen von Menschen mit Demenz sowie von Pflegenden.

«Mit der Diagnose Demenz verändert sich nicht nur das Leben der Betroffenen, sondern auch das von ganzen Familien. Sie wird daher häufig zur Familiendiagnose», begrüsste Prof. Dr. Heidi Zeller, Leiterin der Fachstelle Demenz der Fachhochschule St.Gallen (FHS), die rund 1000 Teilnehmenden des sechsten St. Galler Demenz- Kongresses. Oft werde dann gefragt, wie es nun weitergehe, wie sich die verbleibende Zeit gestalten lasse und welche Träume und Wünsche erfüllt werden können. Allerdings werde gerade in Pflegeinstitutionen das Recht auf Selbstbestimmung oft tangiert. «Es gibt ein Spannungsfeld zwischen Wohl und Selbstbestimmung», sagte Zeller und betonte, dass dabei die Bedürfnisse Pflegeerbringender und Pflegeempfangender gleichermassen berücksichtigt werden müssten. «Am St. Galler Demenz-Kongress geht es darum, sowohl den Wünschen und Hoffnungen Pflegeerbringender, als auch jenen von Menschen mit Demenz nachzugehen», sagte sie.

 «Einige Bewohnende mit Demenz können sich noch Wochen nach der Erfüllung ihres Wunsches daran erinnern. Das ist erstaunlich.»

In Lebenswelten eintauchen
Ein Mann mit Demenz möchte wieder einmal jenen Berggasthof besuchen, in dem er früher gearbeitet hat. Ein anderer Mann, der sein Leben lang Künstler war, möchte seine Bilder ausstellen. Eine Frau, die Tiere liebt, träumt von einem Ausflug in den Zoo. Wieder eine andere Frau möchte das Geschäft im Emmental besuchen, in dem sie immer ihre Wolle bestellt hat. Das sind vier von siebzig Wünschen, die die katholischen Sozialdienste St. Gallen Heimbewohnenden bisher erfüllt haben. Für das Projekt «Geheime Wünsche» ist Bernhard Brack zuständig. «Einige Bewohnende mit Demenz können sich noch Wochen nach der Erfüllung ihres Wunsches daran erinnern. Das ist erstaunlich», sagte Brack. Lanciert wurde das Projekt 2015. Rund 90 Freiwillige versuchen, während Besuchen in Heimen und in Gesprächen mit Angehörigen und Pflegenden, diesen Wünschen auf die Spur zu kommen. «Die Freiwilligen müssen zuhören und anhand von Worten in Lebenswelten eintauchen. Dassind die Herzstücke der Kommunikation mit Menschen mit Demenz», sagte Brack. 

Emotionale Kompetenzen einbringen
Wie lässt sich die Beziehung zwischen Pflegenden und Menschen mit Demenz konkret gestalten? Die Pflegewissenschaftlerin  Elisabeth Höwler stellte verschiedene Ansätze in der Beziehungsarbeit vor. Einerseits gibt es Pflegende mit vorwiegend sachlich-kognitiven Kompetenzen, die Techniken und Routinen umsetzen. Andere Pflegende setzen hingegen vor allem auf empathisch- emotionale Kompetenz und auf personenzentrierte Interaktionen. Höwler rief dazu auf, dass Pflegende eigene emotionale Kompetenzen in die Beziehungsgestaltung einbringen sollen. «Menschen mit Demenz sind beziehungssuchend. Daher müssen Pflegende beziehungsfähig sein», sagte sie und folgerte: «Qualitativ gute Pflege von Menschen mit Demenz entsteht im Herzen.»

Über 2000 Demenzstudien
Diskutiert wurden auch mehrere aktuelle Studien zur Demenz. Dr. Steffen Fleischer von der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg untersuchte, wie sich personenzentrierte Pflege und Versorgung auf die Verschreibungshäufigkeit von Antipsychotika auswirken. An der Studie nahmen 37 Pflegeheime teil. «Der Grund, wieso Antipsychotika verordnet werden, ist häufig herausforderndes Verhalten wie etwa Aggressionen oder Weinen», sagte Fleischer. «Lassen diese akuten Krisen nach, könnten die Antipsychotika wieder abgesetzt werden. Allerdings geschieht dies viel zu selten», so sein Fazit.

«Heute wissen wir, dass die für Demenz verantwortlichen Ablagerungen im Hirn schon 15 bis 20 Jahre vor Krankheitsbeginn entstehen.» 

Über den Stand der medikamentösen Demenztherapie informierte der Mediziner Reto W. Kressig vom Felix Platter-Spital Basel. «Weltweit gibt es über 2000 Demenzstudien. Dennoch ist in den letzten Jahren kein neues Medikament auf den Markt gekommen», sagte Kressig. Ein Hoffnungsschimmer seien jene Studien mit Personen, die zwar ein genetisches Risiko für Demenz, allerdings noch keine Symptome haben. «Heute wissen wir, dass die für Demenz verantwortlichen Ablagerungen im Hirn schon 15 bis 20 Jahre vor Krankheitsbeginn entstehen. Hier muss die Forschung ansetzen», sagte er und betonte, wie wichtig nichtmedikamentöse Interventionen wie Musik oder körperliche Aktivitäten seien.

Am Nachmittag standen vier verschiedene Sessionen auf dem Programm. In der Session «Wünsche von Personen mit Demenz» sprach Florian Riese von der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich über die Lebensqualität von Pflegeheimbewohnenden mit Demenz. Er stellte die Zürcher Verlaufsstudie zu Leben und Sterben mit fortgeschrittener Demenz (ZULIDAD) vor. Daraus entstanden ist der Leitfaden «Lebensende mit Demenz». Er enthält unter anderem Denkanstösse für Angehörige und schildert die Sicht von PraktikerInnen.

Spontan singen und Geschichten erzählen
Der sechste St. Galler Demenz-Kongress schloss mit einer musikalischen Botschaft des Musikers und Schauspielers Christian Johannes Käser. Er ermunterte dazu, im Alltag spontan zu singen und Geschichten zu erzählen. Wie das funktioniert, machte er gleich selbst vor. Er dichtete zu Begriffen aus dem Publikum Songs und Geschichten, die etwa eine utopisch-rosige Zukunft des Gesundheitswesens beschrieben.

 

Text und Bilder: Basil Höneisen – Kirchenbote SG, November 2018

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