News aus dem Thurgau

Platz in der Kirche gekauft

von Inka Grabowsky
min
12.06.2024
An der Stadtkirche Kreuzlingen lässt sich der Zeitgeist ablesen: Zum 300-Jahr-Jubiläum, das am 16. Juni mit einem Festgottesdienst gefeiert wird, gibt es viel zu erzählen.

«Es ist nicht selbstverständlich, dass unsere Kirche 300 Jahre alt geworden ist», sagt Annina De Carli, Mitglied der Kirchenvorsteherschaft und Kunsthistorikerin. Sie hat sich anlässlich des Jubiläums zur Expertin für die Stadtkirche gemacht. «In den 1960er Jahren boomte die Gemeinde. Es gab über 4000 Stimmberechtigte, also bestimmt 6000 Personen, die am Gottesdienst hätten teilnehmen können. Und nachdem eine Renovation mit Anbau als zu teuer abgelehnt worden war, zog man 1967 einen Abbruch und Neubau in Erwägung. Erst als das wegen der Kosten ebenfalls scheiterte, wurde renoviert.»

Heute steht die Kirche unter Schutz. «Es ist kein Zufall, dass das Natur- und Heimatschutz- Gesetz 1966 durch den Bund beschlossen wurde. Zu viele Baudenkmäler drohten der Moderne zum Opfer zu fallen.»

Es ist auch nicht selbstverständlich, dass die Kirche 1724 überhaupt gebaut werden konnte. Dabei war der Bedarf ausgewiesen: «Konstanz hatte sich 1527 der Reformation angeschlossen, wurde aber 1548 rekatholisiert. Und 1615 hatten die Protestanten dort nur die Wahl, zu konvertieren oder auszuwandern.» In der Umgebung stand ihnen die Kirche in Kurzrickenbach zur Verfügung. Die Gemeinde Egelshofen-Kurzrickenbach wünschte sich zusätzlich eine Kirche auf dem Friedhof, den sie in Egelshofen hatte einrichten dürfen. Der Antrag wurde von der Tagsatzung durch die Mehrheit der katholischen Orte abgelehnt.

«Erst 1712 nach dem Landfrieden von Aarau waren die Konfessionen gleichgestellt. Es gab Religionsfreiheit. Deshalb entstanden im frühen 18. Jahrhundert so viele Kirchen im Thurgau.» In Kreuzlingen schlossen sich dafür Egelshofen und Emmishofen zusammen. Innerhalb von acht Monaten stand die kleine Landkirche mit Dachreiter mit Zwiebelkuppel. Der heutige Turm folgte bei der Erweiterung 1898.

Die Innenausstattung des Gotteshauses hat ebenfalls Geschichten zu erzählen. De Carli hat in Archiven geforscht und anhand von Original-Kirchenbänken nachvollzogen, wie die Gemeinde im 18. Jahrhundert organisiert war. «Die Sitze waren durchnummeriert. Die Gemeindemitglieder kauften sich das Recht, dort zu sitzen. Dieses Recht konnte verliehen und vererbt werden. Exponierte Stellen unter der Empore, an denen man gut zu sehen war, waren besonders teuer.»

Gegenüber der Stadtkirche im Rosenegg- Museum gibt es im Erdgeschoss noch bis Anfang November eine Kabinettsausstellung zur Geschichte der evangelischen Stadtkirche. Im Obergeschoss kann man sich die Zukunftspläne aus den sechziger Jahren ansehen.

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