Neujahrsapéro statt Gottesdienst
Wie sind Sie zum Laienpredigtdienst gekommen bzw. darauf aufmerksam geworden?
Ich habe mein Theologiestudium seinerzeit nicht abgeschlossen, sondern bin ganz in die Sozialarbeit «abgetaucht». Erst durch die Auseinandersetzung mit Leitungsaufgaben (insbesondere in der eigenen Kirchgemeinde als auch beruflich) war ich wieder vermehrt mit der Pflege des einmal Erworbenen befasst. Schliesslich bin ich von der Gemeindeleitung bzw. von unserem damaligen Pfarrer Beat Müller dazu angestossen worden, mich künftig nicht nur im Rahmen einer Gremienarbeit einzubringen.
Wie konnten Sie von der Ausbildung persönlich profitieren?
«Eine Predigt ist eine Rede und keine Schreibe» - das ist mir sehr geblieben. Wenn ich mein Manuskript fertig habe, überarbeite ich es gleich wieder – dann darf kein Satz mehr als 13 Worte umfassen. Das wirkt mittlerweile auch ins Berufsleben hinein.
Was motiviert Sie, als Laienprediger unterwegs zu sein?
Ich halte es für ein Privileg, unter der Woche in einem ganz anderen Job (zugegeben mittlerweile auch kein ganz gewöhnlicher mehr) unterwegs zu sein und nicht von Berufes wegen predigen zu müssen, sondern dies mit Lust zu dürfen.
In welchen Gemeinden sind Sie im Einsatz?
Mehrheitlich vor der eigenen Haustür, zum Beispiel in Bischofszell oder Neukirch an der Thur. Gepredigt habe ich aber schon an vielen Orten, zu einigen Gemeinden besteht ein loser und doch beständiger Kontakt. Da ich aber vollamtlich berufstätig bin, muss ich mich doch auch etwas beschränken und Anfragen ablehnen – besonders in den nachfragestarken Herbst- und Skiferien.
Worauf legen Sie bei Ihren Predigten besonderen Wert?
Auf die Perikopenordnung (kirchliche Vorschläge des Schweizerischen Reformierten Pfarrvereins und der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz für Predigttexte jeden Sonntag). Vor allem dann, wenn mir nicht die Aufgabe zufällt, zu einem bestimmten Thema predigen zu sollen. Das zwingt mich selbst zu Auseinandersetzung mit Themen, die mich selbst sogar manchmal richtig ärgern können, bewahrt aber regelmässige Gottesdienstbesucher vor der 500. Predigt zum barmherzigen Samariter.
Was waren Ihre schönsten Predigterlebnisse oder -rückmeldungen?
In früheren Jahren habe ich sogar noch selbst zur Predigt passende Lieder geschrieben (oder bestehende durch neue Strophen ergänzt), die unser Singteam dann zum Besten geben durfte/musste. Die intensive Beschäftigung mit Wort und Ton brachte mich selbst in eine ganz andere Präsenz.
Welche Pleiten, Pech und Pannen gab es vielleicht?
Wenn die Technik versagt, der Pointer die Verbindung verliert und die Präsentation nicht sich nicht mehr bewegt. Oder wenn die Orgel einfriert… - Ganz besonders war ein geplanter Einsatz am 1. Januar 2016 . Weil mein Vater gleichentags seinen 85. Geburtstag feierte, verbrachte ich schon die Silvesternacht bei meinen Eltern, um mich dann recht früh nach Pfyn aufzumachen. Ich war wohl zu früh, die Strassen waren noch nicht gesalzen und spiegelglatt, mein Auto geriet, wenn auch langsam, ins Rutschen. Die Predigt flog mir vom Beifahrersitz ins Gesicht, und mir wurde sehr klar, keiner würde die nun noch zu Gehör bekommen… Ich habe aber sehr viel Bewahrung erfahren! Schliesslich musste ich den nächsten Berg hochsteigen, um dem Funkloch zu entkommen und um Hilfe zu rufen – und den Kirchenpräsidenten (der statt dem Gottesdienst einen spontanen Neujahrsapéro durchführte)…
Neujahrsapéro statt Gottesdienst