«Seid Täter des Wortes, nicht Hörer allein!» (Jakobus 1,22) Dieses Bibelwort über dem Chor der Kirche Bussnang prägte meinen jugendlichen Glauben nachhaltig. Die frohe Botschaft der Gottes-, Nächstenund Selbstliebe «nur» predigen, schien mir nur die halbe Wahrheit. So arbeitete ich während und nach meinem Studium bei Pfarrer Ernst Sieber mit. Dort begegnete ich vielen der «geringsten Brüder» von Jesus (Matthäus 25,45): Mindestens so viel, wie ich ihnen helfen und beistehen konnte, lernte ich auch von ihnen. Jesus nahm die «Randständigen» in die Mitte und schenkte ihnen Heil, Gesundung und Würde. «Der Staat kann nicht lieben!», zitierte Ernst Sieber gerne Stadträtin Monika Stocker. Dafür braucht es beherzte Christenmenschen, die neben aller sozialstaatlichen Hilfe «Nestwärme» und Verständnis, eben christliche Liebe schenken. «Profi» muss man dazu nicht sein: Es reicht, den Bedürftigen «Bruder oder Schwester» zu sein. Huldrych Zwingli stellte neben dem «Mushafen» für die Ärmsten auch eine recht detaillierte Almosenordnung auf, über welche die staatlichen Organe wachten. Dies hat seither viele segensreiche Auswirkungen. Zwei Dinge gehen aber oft vergessen: Unsere sozialen, medizinischen und schulischen Einrichtungen haben christliche Ursprünge, und Nächstenliebe lässt sich nicht delegieren, weder durch Steuern, noch durch Spenden. Wir sind und bleiben gefordert, «Täter des Wortes, nicht Hörer allein » zu sein – nicht, um uns den Himmel zu verdienen, sondern aus Dankbarkeit, dass er uns durch Christus schon geschenkt ist.
Pfarrer Paul Wellauer, Bischofszell
Nächstenliebe nicht delegieren