Nächstenliebe als Richtschnur wählen
«Ich bin kein treuer Predigthörer. Musik und Gesang mag ich nicht. Die 6. Bitte im Herrengebet missfällt mir. Und die Lehre der Dreifaltigkeit sehe ich zwiespältig. Aber Glauben im Sinn von christlichem Lieben und Loben ist für mich wichtig, gerade auch am 1. August.
Zwar halte ich den Befehl ‹Betet, freie Schweizer, betet!› für falsch. Man soll nicht befehlen, den Geist und die Kraft der Schöpfung zu bitten. Die von Jesus gepredigte Nächstenliebe als Richtschnur zu wählen, ist jedoch richtig. Sie ist ebenso nötig wie eh und je.
Geboren 1946, hatte ich Glück. Der Zweite Weltkrieg war zu Ende, und der Kalte Krieg kippte mehrmals nur fast in einen heissen Krieg, der alles Leben auf der Erde beendet hätte. Als Arboner weiss ich: Im 3. Jahrhundert bauten die Römer das Kastell ‹Arbor felix›, weil sie den Limes als Wohlstandsgrenze zwischen Germanen und Römern an den Bodensee zurücknahmen. Zur gleichen Zeit baute China die Grosse Mauer. Auch heute gibt es solche Wälle, etwa Amerikas «Wall» und Europas Mittelmeer, beide gegen die Menschen im Süden.
Vor 500 Jahren erfolgte die kirchliche Reformation. Der Verzicht auf mittelalterliche Lehren führte, ganz im Sinn des Wanderpredigers aus Nazareth, zu den Menschenrechten, aber noch nicht zur Überwindung von Wohlstandsgrenzen. Nächstenliebe heute fordert eine ‹global finance transaction tax›. Denn nur ein Wohlstandsausgleich wird die Menschenströme bremsen, das Bevölkerungswachstum zähmen und den Klimawandel dämpfen.»
Nächstenliebe als Richtschnur wählen