«Zwinglis Aufruf von 1529 an den Rat in Zürich auf heute zu übertragen, ist gewagt. Damals stritt neuer Glaube gegen alten Glauben und umgekehrt. Heute aber kämpft christlicher Glaube um Gehör inmitten vieler Glaubensarten. Hierbei geht es um das Innerste des Menschen. Wohl ist auch die Sprache etwas tief Inneres. Doch zwei Menschen verschiedener Muttersprache und gleichen Glaubens sind einander näher als zwei Menschen gleicher Muttersprache und verschiedenen Glaubens.
Dies bedeutet für unsere Landeskirche, dass wir als unterschiedliche Glieder einander annehmen und gegenseitig ernst nehmen sollen. Wir brauchen als Kirche nicht ein klar linkes oder mittleres oder rechtes Profil. Aber wir dürfen als Einzelne einseitige Ansichten äussern. Ein Beispiel: Der eine darf gern sagen, alle Sätze im Alten und im Neuen Testament seien von gleicher Wichtigkeit. Und ebenso darf der andere sagen, die Reformatoren hätten das frühkirchliche Dogma von der Dreifaltigkeit nur aus Klugheit beibehalten.
Fragt jemand, wie die gute Botschaft den Menschen in unserer an Nachrichten überreichen Zeit besser zu vermitteln sei, so lautet die Antwort oft: Mit mehr Gefühl, neuerer Musik, schönerem Gesang. Das mag stimmen. Meine Antwort heisst jedoch anders: Lass sowohl die Erkenntnisse der Naturgeschichte als auch die der Kulturgeschichte in die Theologie einfliessen! Hab keine Angst vor geschichtlichem Wissen! Sei tapfer!»
Mut zu neuem Denken und Glauben