Mit Tütensuppen gegen reformierte Kopflastigkeit
Die frohe Botschaft muss nicht nur in den Kopf der Leute, sondern auch in ihre Mägen, in ihren Bauch, in ihre Seele. Davon sind Heinz Wulf und Karolina Huber überzeugt. Bei einem Glas Rotwein sinnierten die beiden an einem gemütlichen Abend über das Reformationsjubiläum – und ärgerten sich. Konzerte, Lesungen, Vorträge, alles schön und gut. Aber werden damit wirklich alle Gläubigen erreicht? Nein, fanden die beiden. «Dorthin kommen die Leute, die immer kommen. Damit bleibt das Reformationsjubiläum in der kirchlich-bürgerlichen Mittelschicht», sagt Heinz Wulf.
Dabei wäre es doch viel wichtiger, auch andere Milieus zu erreichen. «Es geht mir nicht um Intellektuellen-Bashing. Ich bin aber selber ein Arbeiterkind. Die reformierte Botschaft muss auch runter von der Kanzel und raus zu den Leuten», sagt Wulf. Und vor allem sei ihm und seiner Frau wichtig, dass das Ganze eine humorvolle, augenzwinkernde Komponente hat. «Die Leute strahlen jedenfalls oft, wenn sie die Suppen anschauen. Und Religion ist nicht einfach bierernst, sondern soll auch Spass machen», so Wulf.
Zwingli, Luther und Calvin als Suppensujet
Wulf und Huber waren sich an diesem Abend einig, dass eine Suppe das beste Rezept ist, um die Leute auf eine witzige und einfache Art zu erreichen. «Mit dem Duft der Suppe verbreitete sich ja schon damals die Reformation», sagt Wulf. Durch einen persönlichen Kontakt konnten sie die Migros davon überzeugen, 37'000 Päckchen ihrer Buchstaben-, Fideli- und Gersten-Suppen mit von Grafiker Bruno Fauser speziell gestalteten Reformatoren-Etiketten versehen zu lassen. So prangen die Reformatoren Zwingli, Luther und Calvin auf den Suppentüten, begleitet von den Sprüchen Sola fide (allein der Glaube) und Sola gratia (allein die Gnade) und Sola scriptura (allein die Schrift). «Die Buchstabensuppe ‹Sola Scriptura› kommt besonders gut an», sagt Wulf. «Unsere Käuferinnen und Käufer nehmen die Suppe nach Hause, schauen sie an und denken hoffentlich über den Spruch nach.»
Keine Werbung – grosse Nachfrage
8'000 Päckchen wurden bis jetzt verkauft. Täglich werden zwischen 500 bis 600 für je zwei Franken bestellt, die im Keller des Kipferhauses in Hinterkappelen bei Bern lagern. Wulf verpackt und verschickt die Suppen in seiner Freizeit selber. «Wir sind von der Nachfrage und der Begeisterung der Leute überrascht. Wir haben ja nirgends Werbung gemacht», sagt Wulf. Die Mund-zu-Mund- oder heute eben Computer-zu-Computer-Propaganda funktioniere so gut wie damals bei der Reformation.
Gut 60 Prozent der Suppen müssen Wulf und Huber verkaufen, damit die Kosten gedeckt sind. Die weiteren Einnahmen spenden sie zur Unterstützung zum einen an die reformierte Kirchgemeinde Gambarogno im Tessin, zum anderen an die politische Gemeinde im Bündner Safiental. Sollten tatsächlich alle Suppen verkauft werden, spielt Wulf mit dem Gedanken, noch weitere Suppentüten zu bestellen. «Wir sind ja zurzeit etwas männerlastig. Deshalb möchten wir noch eine Frau auf die Tüte drucken», sagt Wulf. Wibrandis Rosenblatt wäre als Ehefrau dreier Reformatoren und eifrige Suppenköchin für die Armen eine perfekte Kandidatin. Sie habe mit ihren Suppen gegen Not und Verzweiflung angekocht. Und somit eine wichtige reformatorische Rolle eingenommen.
Andreas Bättig / ref.ch / 27. Januar 2017
Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».
Mit Tütensuppen gegen reformierte Kopflastigkeit