Mehr als nur ein neuer Name
Auch wer sich in den kirchlichen Strukturen nicht besonders gut auskennt, hat im Hinterkopf doch meist gespeichert: Die katholische Kirche ist von oben nach unten aufgebaut und die reformierten Kirchen von unten nach oben. Die wichtigste Einheit der evangelischen Kirchen ist demnach die örtliche Gemeinde. Im Allgemeinen schätzen wir diese Struktur und die damit zusammenhängenden lokalen Freiheiten. Sie hat aber auch ihre Schwächen: Kann es Sache jeder Gemeinde sein, festzulegen, welches Glaubensbekenntnis gilt? Soll jede Kantonalkirche abschliessend definieren, wie sie Taufe und Abendmahl versteht? Und was bedeutet die daraus entstehende Vielfalt (und manchmal auch Widersprüchlichkeit) für die Wahrnehmung der Kirche durch Aussenstehende?
Lokal, kantonal und landesweit
Der knapp 100-jährige Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK) verstand sich bis jetzt weitgehend als Dachorganisation. Juristisch gesehen ist er ein Verein. Das wird auch so bleiben, denn die Bundesgesetzgebung kennt keinen öffentlich-rechtlichen Status für eine schweizweit organisierte Kirche. Trotzdem möchte man innerhalb des Schweizer Protestantismus mehr Verbundenheit und Verbindlichkeit erreichen. In der neu so genannten «Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz» (EKS) werden drei Ebenen unterschieden: lokal (Kirchgemeinden), kantonal (Landeskirchen) und landesweit (EKS). Es gilt das Subsidiaritätsprinzip: Nur was sinnvollerweise nicht auf der unteren Ebene gemacht werden kann, soll auf die nächst höhere Ebene verschoben werden. Der Aufbau «von unten nach oben» bleibt also gewahrt.
Synode als oberstes Organ
Das Parlament der EKS wird in Zukunft nicht mehr Abgeordnetenversammlung, sondern Synode heissen. Mit dem weitgehend kirchlich besetzten Begriff «Synode» meint man eine Zusammenkunft, die nicht nur aufgrund von Vereinsstatuten erfolgt, sondern sich als kirchlich verantwortliches Gremium versteht. Die Synode ist das oberste der drei Organe der EKS. Der Gedanke ist, dass die EKS «dreigliedrig » geleitet wird: durch Synode, Rat und Präsident beziehungsweise Präsidentin.
Präsident gab zu reden
Dass die letztgenannte Funktion separat aufgeführt wird, gab zu reden. Man möchte nicht auf der Hintertür einen «Bischof» einführen. Aber dass, insbesondere in der modernen Medienlandschaft, eine Einzelperson der Institution ein Gesicht geben muss, ist unbestritten. Man mag die Tendenz zur Personalisierung in den Medien bedauern, ganz entziehen kann man sich ihr nicht. Vor diesem Hintergrund ist es auch verständlich, dass im Juni dieses Jahres die Wahlen ins Präsidium des Kirchenbunds mehr zu reden gaben als früher. Der amtierende Präsident, Pfarrer Gottfried Locher, der ein starker Motor für die Verfassungsrevision war, ist schliesslich, nach heftigen Debatten, mit gutem Resultat wiedergewählt worden. Die Schlussabstimmung über die neue Verfassung findet im Dezember statt.
(25. Juli 2018, Wilfried Bührer, Thurgauer Kirchenratspräsident und Mitglied der Thurgauer Vertretung der Abgeordnetenversammlung)
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