«Am Anfang war eine Plastikfigur. Genauer gesagt ein Playmobil-Luther, den die Zahnfee meiner sechsjährigen Tochter unter das Kopfkissen legte. Die Verpackung gibt als Altersangabe «4–99» an. Meine Tochter gehört somit zum Zielpublikum, ebenso meine ungefähr 10 Jahre ältere Schülerschaft. Ich teile die Einschätzung, dass Luther durchaus beiden Altersklassen etwas zu sagen hat. Meine Tochter beginnt nun als Erstklässlerin zu lesen. Ich vermittle ihr, dass Luther einen grossen Beitrag zur Entwicklung der deutschen Standardsprache geleistet habe. Dass ich ihr ohne Übersetzungsleistung gelegentlich aus der Kinderbibel vorlesen könne, sei ebenfalls ihm zu verdanken. Gleiches gelte für die Kernbotschaft, dass Gott uns Menschen gegenüber wohlwollend sei.
Auch im gymnasialen Geschichtsunterricht anerbietet sich die Plastik-Figur als Türöffner, um gemeinsam über Religion und Konfessionalisierung nachzudenken. Angesichts der heutzutage heterogenen religionsgeschichtlichen Wissensbestände liegt dieser personalisierte Zugang zum Thema nahe. Hernach lautet das oberste didaktische Gebot aber «Differenzierung». Eine Folge davon ist, dass Luther als Einzelperson dabei etwas von seinem Glanz verliert. Zum anderen entsteht durch das Quellenstudium im Unterricht ein komplexes Bild von Luther, welches nicht nur seine grossen Leistungen anspricht. Zeitgenössische Unterrichtsmaterialien erfüllen diesen Anspruch in aller Regel und ermöglichen so, das «Plastik-Denkmal» durchaus auch kritisch zu würdigen.»
Martin Luther für 6- und 16-Jährige