Klimaschutz-Gesetz: nötig oder «planlos»?
Das Klimaschutz-Gesetz, das am 18. Juni 2023 zur Abstimmung kommt, ist ein Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Für ein gesundes Klima (Gletscher-Initiative)». Vom der SVP nahestehenden Referendumskomitee wird die Vorlage als «planloses und teures Stromfresser-Gesetz» bezeichnet. In der Abstimmungsbotschaft äussert das Referendumskomitee unter dem Titel «Staatliche Umerziehung» die Befürchtung, der Bundesrat könne «im Alleingang extreme Massnahmen verlangen», wie «teure Haussanierungen, den Ersatz funktionierender Öl- und Gas-Heizungen, das Verbot von Benzin-Autos, von Flugreisen oder von Fleischkonsum».
Klimaschutz ohne Verbote und neue Abgaben
Bundesrat und Parlamentsmehrheit beziehen sich auf den Wortlaut des Klimaschutz- Gesetzes und stellen nüchtern fest, dass die Vorlage Bevölkerung und Wirtschaft unabhängiger von Öl- und Gasimporten mache. Sie stärke den Klimaschutz, ohne Verbote und ohne neue Abgaben. Wer in klimafreundliche Heizungen und innovative Technologie investiere, werde finanziell unterstützt.
EKS: «Haltung des Respekts gegenüber der Natur»
Die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz (EKS) hat sich in einem Positionspapier deutlich für «Gletscher-Initiative» und Klimaschutz-Gesetz ausgesprochen: «Die Welt fällt nicht in die freie Verfügungsmasse der gegenwärtig lebenden Menschen. […] Die biblische Sicht auf die Welt als Schöpfungsgabe lenkt den Blick darauf, was die Geschöpfe nicht besitzen und sich nicht schaffen können, aber was ihr Leben überhaupt ermöglicht. Diese Haltung der Dankbarkeit lässt sich politisch nicht einholen. Die damit verbundene Haltung des Respekts gegenüber der Natur kommt aber im indirekten Gegenvorschlag und in der Initiative zum Ausdruck.»
Die Redaktion des Kirchenboten hat zwei eidgenössische Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus dem Thurgau eingeladen, ihren Standpunkt zum Klimaschutz- Gesetz darzulegen und sich zur Stellungnahme der EKS zu äussern. Via Kommentarfunktion haben auch Sie die Möglichkeit, mitzudiskutieren!
Das meinen Christian Lohr und Diana Gutjahr:
Gesellschaftliche Verantwortung
In den letzten Wochen wurde das Stimmvolk mit vielen Fakten, aber auch mit weniger wahren Informationen zum Klimaschutz- Gesetz eingedeckt. Die Frage, ob man am 18. Juni an der Urne Ja sagen soll oder nicht, ist zwischenzeitlich zu einer Glaubensfrage hochstilisiert worden.
Ich konzentriere mich bei meiner Argumentation auf die gesellschaftliche Verantwortung, die wir angesichts des Klimawandels und der notwendigen Energiewende wahrzunehmen haben. Zu unseren verfassungsmässig abgestützten Aufgaben zählt, dass wir in unserem Land unter anderem zum sozialen System Sorge tragen, ein qualitativ gutes und finanzierbares Gesundheitswesen aufrechterhalten, die Sicherheit gewährleisten und für Bildung und Arbeitsplätze einstehen. Ohne Frage gehört aber auch dazu, für eine intakte Umwelt die notwendigen Anstrengungen zu unternehmen. Das hat mit parteipolitischen Überlegungen wie auch mit ideologischen Gedanken nichts zu tun. Wir tragen gemeinsam die Verantwortung, die richtigen Entscheidungen zu treffen, um unsere Umwelt nachhaltig zu schützen. Die Alternative besteht deshalb beispielsweise nicht in der Wahl zwischen Auto und Bahn, sondern wie nütze ich beides ergänzend und schone dabei Natur, Landschaft und die Menschen.
Nachhaltigkeit für die Zukunft erreichen wir nur mit einem gemeinsamen Verständnis für die Sache. Gleichgültigkeit gegenüber vernünftigen Energiezielen kann nicht der anzustrebende Weg sein. Deshalb stehe ich für das Klimaschutz-Gesetz ein.
Ohne verlässlichen Strom droht Chaos
Wir befinden uns heute in einer Strommangellage. Experten gehen davon aus, dass der Mangel im nächsten Winter noch stärker sein und sich kontinuierlich verschärfen wird. Die Strompreise sind dieses Jahr für den durchschnittlichen Haushalt um 27 Prozent angestiegen.
Mit dem «Stromfresser»-Gesetz wird es noch mehr Stromknappheit geben. Das heisst, noch höhere Preise für Kundinnen und Kunden, Mieterinnen und Mieter sowie für Hauseigentümerinnen und -eigentümer. Was die höheren Energiekosten für Unternehmen bedeuten, kann ich Ihnen anhand unserer Firma, der Ernst Fischer AG, darlegen: Die Strompreise in Romanshorn sind um 13 Prozent gestiegen, in Amriswil sogar um rund 65 Prozent. Bei den Heizkosten bezahlen wir bereits im 1. Quartal 2023 mehr als im Jahr 2022. Höhere Energiepreise bedeuten höhere Einkaufsund steigende Verkaufspreise. Die Preisspirale dreht sich nach oben – die Leidtragenden sind die Konsumenten. Wir alle wollen unsere Welt schützen, aber mit diesem Gesetz erreichen wir das Ziel nicht. Das «Stromfresser»-Gesetz wird das Angebot an Strom nicht ausbauen, es wird es weiter stark verknappen. Die geforderte Elektrifizierung/Dekarbonisierung wird das Angebot bei weitem übersteigen.
Deshalb: Wir brauchen zuerst mehr verfügbaren und eigenen Strom, der nicht saisonal schwankt, bevor wir ein Netto- Null-Ziel definieren können. Alles andere ist blauäugig. Aus diesen Gründen sage ich aus Überzeugung Nein zu diesem Gesetz.
Klimaschutz-Gesetz: nötig oder «planlos»?