(Keine) Aufmerksamkeit auf «Social Media»
Politiker, Journalisten, Warenhäuser, aber auch Thurgauer Kirchen und Pfarrpersonen haben es schon versucht: Sie erstellen Seiten auf Facebook, Twitter, YouTube, Instagram und anderen sozialen Medien, um vermeintlich günstig und einfach Aufmerksamkeit zu bekommen. Denn auf diesen Plattformen tummeln sich Millionen oder auf Facebook sogar über eine Milliarde Menschen. Auch Schweizerinnen und Schweizer nutzen diese Plattformen zunehmend: Gemäss der Studie des «World Internet Projects» nutzen 64 Prozent der Schweizer Internetnutzer soziale Netzwerke wie Facebook – davon zwei Drittel täglich.
Aufmerksamkeit verteilen
Weil auf diesen Plattformen jeder Beiträge online stellen kann, greifen die meisten Plattformen ein: Sie zeigen einen Beitrag nur denjenigen, die mit grosser Wahrscheinlichkeit an diesem interessiert sind und vermutlich darauf mit einem «Gefällt mir» reagieren. Diese Einschätzung basiert auf dem bisherigen Verhalten der Nutzenden. Andere, die vermutlich nicht am erwähnten Beitrag interessiert sind, sehen ihn auch nicht. Da Menschen sich aber grundsätzlich daran orientieren, was anderen bereits gefällt, führt dies zu einem Matthäus- Effekt: Diejenigen, die bereits sehr viel Aufmerksamkeit haben, bekommen noch mehr, und diejenigen, die wenig Aufmerksamkeit haben, erhalten noch weniger.
Aufmerksamkeit kaufen
Wer sich einen Vorteil im Kampf um Aufmerksamkeit verschaffen will, dem bieten sich unterschiedliche Möglichkeiten: Zum einen hat sich eine gesamte Branche etabliert, die sich darauf spezialisiert hat, Werbung und Kampagnen zu gestalten, um die passende Zielgruppe auf diesen Plattformen zu erreichen. Das kostet dementsprechend. Diese Beiträge erscheinen dann prominent bei allen Nutzern, die mit massgeschneideter Werbung anvisiert werden: Beispielsweise männlich, zwischen 18- und 25-jährig, in einer Beziehung, wohnhaft im Thurgau, im Einzelhandel erwerbstätig und an politischen Abstimmungen interessiert.
Aufmerksamkeit dank «Likes»
Während ein gekaufter Beitrag an sein Zielpublikum ausgespielt wird und dementsprechend auch als Werbung deklariert ist, sind Empfehlungen von Freundinnen und Freunden wirkmächtiger und günstiger. Eine authentische Empfehlung eines Freundes überzeugt deutlich stärker. Denn sie wird nicht negativ als störende Werbung bewertet. Um aber eine Gemeinschaft auf einer Plattform aufzubauen, die aktiv und authentisch Beiträge weiterleitet, werden auf die Zielgruppe passende, aber auch emotionale Botschaften benötigt. Denn verschiedene Studien haben bereits belegt, dass vor allem diejenigen Beiträge weiterverbreitet werden, die unterhaltsam oder emotional sind. Solche Inhalte zu erstellen, benötigt aber Zeit und Erfahrung.
Aufmerksamkeit fĂĽr Medien
Das Internet wird immer wichtiger fĂĽr die Verbreitung von Nachrichten: Neue Kommunikationskanäle wie Social Media stehen immer mehr in direkter Konkurrenz mit Webseiten klassischer Medien. Einerseits können diese Plattformen Journalistinnen und Journalisten als Quellen und Inspiration fĂĽr eigene Beiträge dienen. Andererseits werden sie genutzt, um auch Beiträge klassischer Medien an ein breites Publikum zu streuen. Trotz der Ressourcen und bereits vorhandener Beiträge dieser traditionellen Medienanbieter unterstehen sie aber denselben Regeln wie jeder andere auf der Plattform: Sie mĂĽssen sich eine Gemeinschaft pro Plattform aufbauen, die auf ihre Beiträge reagiert und sie somit weiterverbreitet. DafĂĽr mĂĽssen sie womöglich zusätzliche, plattform-spezifische Beiträge erstellen und diese auch bewerben. Aufmerksamkeit spezifizieren Die grösstmögliche Aufmerksamkeit zu erhalten ist aber nicht das Ziel jeder Kampagne. Beispielsweise kann es reichen, wenn auf Twitter eine Journalistin angesprochen wird, die eine Idee oder Geschichte aufgreift und darĂĽber schreibt. So kann ein Beitrag via Social Media in einer Tageszeitung landen, was womöglich ebenso wertvoll ist. Denn ĂĽber die traditionellen Medien wie Tageszeitungen, Radio und Fernsehen werden, zumindest in der Schweiz, noch immer ein grösseres Publikum und ein breiteres Spektrum der Schweizer Bevölkerung erreicht.Â
(Tobias Keller, 17. September 2019)
Mehr ĂĽber Autor Tobias Keller erfahren Sie hier im Interview.
(Keine) Aufmerksamkeit auf «Social Media»