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Ist Geldgier schuld am Ende der CS?

von Ernst Ritzi
min
17.04.2023
Das Ende der Credit Suisse hat auch eine moralische Komponente: Banker, die hohe Risiken eingehen, damit sie höhere Boni erhalten, aber auch die weit verbreitete Erwartung nach immer höherer Rendite. Ähnlich wie die Politik tun sich auch die Kirchen nicht leicht mit dem Scheitern der Grossbank.

Unter dem Titel «Wir klagen nicht an» hat das evangelische Nachrichtenportal «protestinfo» am 25. März 2023 ein Interview mit Rita Famos, Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS), veröffentlicht. Famos warnt nach dem Niedergang der Credit Suisse vor einer «Kultur der Empörung». Jetzt mit dem Finger auf die Grossbank zu zeigen, sei falsch. Die Kirche sollte keine solche Haltung einnehmen. In Frage gestellt sieht Famos «in erster Linie das System» und da gelte es selbstkritisch hinzuschauen: «Seien wir ehrlich: Die Schweiz gehört zu den Ländern, die von diesem System profitiert haben.»

«Nicht nur die Banker, auch die Geldanleger verantwortlich»
Als ehemalige Verwaltungsrätin der Alternativen Bank Schweiz ABS war die Thurgauer Kirchenratspräsidentin Prof. Dr. Christina Aus der Au eine gefragte Auskunftsperson. In einem Interview mit der Zeitschrift «reformiert.» stellte Aus der Au am 27. März 2023 fest, dass der CS am Ende der massive Vertrauensverlust zum Verhängnis geworden sei. Gefragt nach der Verantwortung weitet Aus der Au den Kreis der Verantwortlichen aus und beschreibt eine Mentalität, an der «fast alle» teilhaben würden: «Es sind nur die Banker selbst, sondern auch die Anlegerschaft, die eine möglichst hohe Rendite wollte und mit dem Abzug von Geldern drohte, wenn ihre Erwartungen nicht erfüllt wurden. Irgendwie jeder, der nur an sich selbst dachte – und das tun letztlich fast alle, wenn es um ihr Geld geht. Das Wechselspiel von Ansprüchen, Druck, eingegangenen Risiken schaukelte sich hoch.»

Eine Bankerin und ein Banker mit landeskirchlichem Bezug nehmen Stellung
Die Redaktion des Kirchenboten hat zwei mit der Landeskirche verbundene Bankfachleute danach gefragt, wie sie mit dem Risiko und mit den Renditeerwartungen bei der Geldanlage umgehen und welche Lehren sie aus dem Scheitern der Credit Suisse ziehen.

 

Das meinen Astrid Ziegler und Joël Röthlisberger:

 

Fremdes Geld verpflichtet zu Sorgfalt

Von Astrid Ziegler, Stellvertretende Vorsitzende der Bankleitung, Raiffeisenbank Mittelthurgau


Wessen Geldgier ist schuld am Ende der CS? Wenn ein Unternehmen an die Börse geht, kaufen Menschen ohne moralische Bindung an das Unternehmen die Aktien und wollen in erster Linie Gewinne und Dividenden sehen. Die Politik will Steuergelder sehen. Also muss das Unternehmen Profit machen und geht Risiken ein. Fliessen die Gewinne nicht, laufen die Aktionäre davon und lassen es fallen. Eine Bank hat nur das Vertrauen der Kunden oder Aktionäre. Deshalb ging es so schnell. Ich arbeite in einer bonusfreien Bank, bei der das Eigengeschäft verboten ist. Die Mitarbeitenden sind motiviert und wollen auch ohne Bonus gute Arbeit verrichten. Der Kern unserer Arbeit besteht darin, in ein Vertrauensverhältnis mit den Kunden zu gelangen. Als Führungspersonen sind wir verantwortlich, dass für die Mitarbeitenden keine falschen Anreize geschaffen werden und sie die Kunden frei und zuverlässig beraten können. Zufriedene, langjährige Mitarbeitende und zufriedene Kunden führen immer zum Erfolg. Der moralische Umgang mit fremdem Geld trägt einen Teil der Schuld am Untergang der CS. Seien wir sorgfältig im Umgang mit fremdem Geld. Sei es das Geld von Kunden, des Vereins oder Steuergelder, wir haben dafür Verantwortung. Zeigen wir nicht mit dem Finger auf die anderen, sondern ziehen wir in unserem Umfeld persönliche Lehren im Umgang mit fremdem Geld und unserer Geldgier im Kleinen.

 

 

Vertrauen schaffen braucht seine Zeit

Von Joël Röthlisberger, Bankfachmann und Kirchenpfleger der Evangelischen Kirchgemeinde Sulgen-Kradolf

Ich war bestürzt, wie schnell eine breit aufgestellte Bank in Bedrängnis geraten kann, wenn das Vertrauen verloren geht. Eine weltweit tätige Investmentbank ist naturgemäss höheren Risiken ausgesetzt als eine Regionalbank und trotzdem gibt es Mechanismen und Grundprinzipen, die für das Bankgeschäft allgemein gelten. «Geldgier» ist ein starkes Wort. Ein gewisses Risiko gehört zum Geschäftsalltag der Banken. Kundinnen und Kunden wollen ihr Geld anlegen und erwarten dabei eine Rendite. Wenn ich als Banker Kundinnen und Kunden berate, gehört es dazu, dass wir über die Renditeerwartung und über die damit einhergehenden Risiken reden. Ich möchte meine Arbeit so machen, dass ich meinen Kundinnen und Kunden auch in fünf oder zehn Jahren noch in die Augen sehen kann. Die Kultur einer Bank wird auch durch das Anreizsystem geprägt, mit dem sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für besondere Leistungen und das Erreichen der gesetzten Ziele «belohnt». Ist ein hoher Anteil des Lohns an das Erreichen von Zielen geknüpft, kann das dazu verleiten, höhere Risiken einzugehen. Entsteht durch hohe Boni eine kurzfristig ausgerichtete Geschäftstätigkeit, kann das zu risikoreichen Geschäften führen. Die Leistungsanreiz-Systeme für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten langfristig und nachhaltig angelegt sein. So wird dem langfristigen «Kapital» einer Bank - dem Vertrauen der Kundinnen und Kunden - besser Rechnung getragen.

 

 

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