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«Helvetia predigt!»

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11.06.2021
Am 1. August predigen Frauen von Schweizer Kanzeln. Die ökumenische Aktion «Helvetia predigt!» will Frauen sichtbar machen und ihnen eine Stimme geben.

Ein schweizweites Frauenrütli: Zuerst reifte die Idee, dass dieses Jahr überall in der Schweiz Frauen die «1. August-Rede» halten sollen. Fünfzig Jahre nach der Einführung des Frauenstimm- und Wahlrechts sollen Frauen reden, wo lange nur Männer stehen durften: An den Rednerpulten des schweizerischen Nationalfeiertags.

An diese Idee knüpft die ökumenische Aktion «Helvetia predigt!» an. «Mit Helvetia predigt!» werden Frauen in der Kirche sichtbar gemacht, und die Kirche zeigt sich, wie sie ist: divers», sagt Gabriela Allemann, Präsidentin der «Evangelischen Frauen Schweiz EFS».

Die Theologin spricht von einer «spürbaren Ambivalenz», gerade im Stimmrechtsjubiläumsjahr. Spürbar sei die Freude über Erreichtes, spürbar sei aber auch die Wut darüber, dass Frauen unter Bezugnahme biblischer Texte lange daran gehindert wurden, sich gleichberechtigt in der Kirche zu engagieren: «Es brauchte einen langen Atem, um Veränderung zu erreichen, wir sind den Frauen und Männern dankbar, die ihn hatten und viel bewirkten konnten.»

Der lange Weg ins Pfarramt
Die reformierte Kirche praktiziert die Frauenordination in der Schweiz seit 1918. Doch bis zur Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechts im Jahr 1971 konnten die Frauen in vielen Kantonalkirchen trotzdem nicht ins Amt gewählt werden und blieben Hilfspfarrerinnen. Heute sind die Pfarrerinnen ihren männlichen Kollegen gleichgestellt.

Betont die Aktion «Helvetia predigt!» nun nicht etwas, das schon lange selbstverständlich ist? «Wir möchten unbedingt dahin gelangen, dass Frauen im Pfarramt tatsächlich selbstverständlich sind, so dass gar nicht mehr darüber gesprochen werden muss, ob eine Frau oder ein Mann den Gottesdienst gestaltet», sagt die Präsidentin der reformierten Frauen. Doch noch sei diese Selbstverständlichkeit vordergründig und die Gleichstellung der Geschlechter auf rechtlicher Ebene ein junges Pflänzchen. «Es braucht weiterhin die Achtsamkeit und den Einsatz der Gesellschaft, um sie ins tägliche Leben umzusetzen.»

Das alte Bild vom Herrn Pfarrer
Frauen auf der Kanzel sind ein relativ neues Phänomen. «In vielen Köpfen gibt es nach wie vor Bilder vom ‘Herrn Pfarrer’ und wie dieser zu sein hat. Dazu haben auch biblische Texte beigetragen. Nur langsam lösen sich die einseitigen Bilder auf und machen vielfältigeren Platz», so Allemann. Noch viel zu oft stehen in Gemeinden Vollzeitpfarrer Teilzeitpfarrerinnen gegenüber: «Das hat Einfluss auf die Gemeinde, auf die Sicht- und Hörbarkeit der Frauen. In diesem Modell sind Frauen weniger oft am Predigen als Männer, auch wenn es bald gleich viele ordinierte Pfarrerinnen wie Pfarrer gibt.» Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei im Pfarramt schwierig. «Das müssen die Kirchen anpacken und zwar im Bezug auf beide Geschlechter.» 

Gleichstellung in Politik und Kirche
Die Frauen, die am 1. August predigen, sind eingeladen, die Verbindung zwischen der Einführung des eidgenössischen Frauenstimm- und -wahlrechts in der Schweiz und der kirchlichen Gleichstellung aufzunehmen. Anregungen dazu bieten die Websites der Evangelischen Frauen Schweiz und des Katholischen Frauenbundes.

Die Frauen fordern aber auch die Männer auf, die am 1. August predigen, sich der Aktion «Helvetia predigt!» anzuschliessen und diese Themen aufzugreifen. «Es ist entscheidend, dass sich nicht nur Frauen mit diesen Fragen beschäftigten, sie gehen uns alle etwas an», betont Gabriela Allemann.

Adriana Di Cesare, kirchenbote-online

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