Glauben und geniessen
«Götterspeise und Teufelshörnchen» – im Fokus der ökumenischen Sonderwochen «Schöpfungszeit» zur Förderung eines nachhaltigen Lebensstils steht im September der Geschmackssinn mit all seinen Facetten und Extremen wie diese beliebten kulinarischen Genüsse. Indes: Nicht nur deren Bezeichnungen haben mit Religion zu tun. Das verdeutlicht Karin Peter, die sagt: «Nachhaltigkeit bedeutet hier, dass Lebensmittel erstens aus regionalem Anbau sind und zweitens möglichst vollumfänglich verwendet werden. Es bedeutet auch, dass diese Lebensmittel im Einklang mit der Natur angepflanzt und verarbeitet werden.»
Gott und Ernte im Zusammenhang
Der Glaube beziehungsweise die Religion hätten «extrem viel mit Essen und Trinken zu tun»: Jede Religion kenne einschneidende Regelungen, was Lebensmittel, die Produktion und den Verzehr – nicht aber den «Genuss» – angehen. Sie sieht einen Zusammenhang auch darin, dass es immer eine Verbindung zwischen Ernte und «Gott» gegeben habe. Im Christentum sehe sie eine besondere Verbindung zwischen Korn, Sonne und Leben: «Nur mit ausreichend Sonne kann Korn gedeihen und zum Lebensmittel verarbeitet werden, und damit können Mensch und Tier überleben.» Brot und Wein seien quasi die Lebensmittel des Christentums und «waren etwa so bedeutungsschwer wie heute das Wort ‹Mutter›». Eine der wichtigen Änderungen der Reformation habe in der erheblichen Lockerung der «verbotenen » Speisen bestanden.
Es geht ums Überleben
Als Esskulturhistorikerin stosse sie ständig auf Zusammenhänge von Essen, Trinken und Glauben. Sie bedauert, dass der «food history » (Nahrungsmittelgeschichte) sehr wenig Beachtung geschenkt werde. «Ich finde aber, dass genau darin die wirklich wichtigen Themen in der Menschheitsgeschichte liegen. Ist doch das physische Überleben immer Auslöser für Bewegung und Entwicklungen.» Sie denke etwa an Hungersnöte, Völkerwanderungen oder Kriege: «Ganz am Ende geht es immer ums Überleben.»
Genussvoll und achtsam
Indes – auch Genuss darf sein, so Karin Peter: «Ich bin überzeugt davon, dass ein Zusammenhang besteht zwischen einer genussvollen, freudigen Herangehensweise an den Anbau, ans Kochen, ans Essen und der guten Wirkung. Damit sind wir wieder beim «Glauben » beziehungsweise, was wir glauben oder denken. Es sei sinnvoll, wo viel wie möglich selber zu kochen und so wenig wie nötig zu verbrauchen. Sie rät denn auch zu einem «genussvollen und dennoch achtsamen Umgang mit Lebensmitteln». Es sei wichtig, dass sich Konsumierende gut informierten. Dann könne man beispielsweise feststellen, dass es «absoluter Blödsinn» sei, vermeintlich gesünderes Palmfett zu verwenden, zumal in der Schweiz produzierte Öle oder Fette viel hochwertiger seien, dafür kein Urwald umweltschädlich abgeholzt werden müsse und keine langen Transportwege in Kauf genommen werden müssten.
Impulstag und ökumenischer Gottesdienst über Geschmackssinn mit Referat «Wie schmeckt Glück?» von Karin Peter und nachhaltigem Genuss-Apéro am Sonntag, 1. September, 9.30 bis 12 Uhr, evangelische Kirche, Berlingen.
(23. August 2019, Roman Salzmann)
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