News aus dem Thurgau

«Gemeinsam-Spruch» – wie kommt er an?

von Ernst Ritzi
min
15.03.2025
Der neu kreierte Claim der Thurgauer Landeskirche heisst «gemeinsam glauben, lieben, hoffen». Er nimmt Bezug auf den ersten Brief des Paulus an die Gemeinde in Korinth, in dem es heisst: «Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die grösste unter ihnen.» (1. Kor 13,13)

Das Schwergewicht des Claims – dem Selbstverständis beziehungsweise dem Anspruch der Landeskirche in Kürzestform – soll auf dem Begriff «gemeinsam» liegen. «Gemeinsam» sei für die Landeskirche und die Kirchgemeinden nicht nur ein Wort, sondern ein Auftrag, hat Ruth Pfister, Vizepräsidentin des Kirchenrats, bei der Vorstellung des Claims zum Jahresbeginn erklärt.

Dass möglichst viele Menschen das «Gemeinsam» erleben können, hänge davon ab, dass Kirchgemeinden und Landeskirche die Kirche «persönlich, lebendig und bunt» machen würden.

Frohe Botschaft sichtbar machen

Was mit dem Claim bewirkt werden soll, bringt der Kirchenrat so auf den Punkt: «Gemeinsam glauben, lieben, hoffen ist ein Ruf an die Kirche und ihre Mitarbeitenden, die frohe Botschaft lebendig werden zu lassen. Dieser Spruch lädt ein, die Beziehung zu Gott und zueinander zu vertiefen und in der Welt Zeichen für Gottes Liebe zu setzen. Indem diese Werte im kirchlichen Handeln sichtbar werden, wird die Botschaft des Evangeliums greifbar und relevant für die Menschen von heute.»

Kirchenrat hat drei Ziele

Was die Landeskirche in den nächsten vier Jahren dazu beitragen will, dass der Claim spürbar wird, hat der Kirchenrat in seinen Legislaturzielen formuliert: erstens Kooperation übergemeindlich, ökumenisch, interkantonal, national und global fördern; zweitens Innovation ausprobieren in den Bereichen junge Erwachsene, Kirchenmusik, Caring Communities und Freiwilligenarbeit sowie in neuen Formen von Gemeinschaft; drittens Präsenz markieren als Dienstleisterin der Kirchgemeinden, in der medialen, digitalen und analogen Öffentlichkeit, in Institutionen, in der Schule und in der Wirtschaft.

Die Redaktion des Kirchenboten hat Mitglieder der Landeskirche eingeladen, die Erwartungen zu formulieren, die sie mit dem Claim «gemeinsam glauben, lieben, hoffen» verbinden.

 

Das meinen Sabine Aschmann, Samuel Zaugg, Zbynek Kindschi Garský und Martina Bell-Hotz:

 

Erwarte Grosses


Sabine Aschmann, Pfarrerin und Mitglied der Synode, Schlatt

«Gemeinsam glauben, lieben und hoffen hat seine Quelle in Gott. Dies betont der erste Johannesbrief gleich in seinen ersten Versen. Der Claim – er ist das (eigentlich selbstverständliche) Gemeindeleben. So erwarte ich Grosses für die Begegnung der Gemeinde mit der Welt. Unsere Liebe in Jesus Christus ist eine Agape, die die Welt nicht kennt, die ihr aber guttut. Unser Glaube an einen dreieinigen Gott ist der Welt nicht zugänglich, aber macht ihr Eindruck. Unsere christliche Hoffnung ist der Welt suspekt, und doch wird sie dadurch erhalten.»

Eine Herausforderung


Samuel Zaugg, Sozialdiakon und Synodaler, Weinfelden

«Besonders in einer Zeit, in der sich gefühlt oft alle selbst am nächsten sind, begrüsse ich die Betonung auf das 'Gemeinsam' im Claim. Trotzdem sehe ich auch die Gefahr der 'Verzettelung'. Der Blick auf die (nationale, internationale) Gemeinschaft könnte zur Folge haben, die Herausforderungen oder Knackpunkte in der eigenen Landeskirche zu vernachlässigen. Stichworte dabei sind der nahende Pfarrpersonenmangel oder die schwindenden Mitgliederzahlen. Da bleibt es, zu 'hoffen' auf viele qualifizierte und weitsichtige Personen in der Thurgauer Gemeinschaft.»

 

Bedenken


Zbynek Kindschi Garský, Pfarrer und Mitglied der Synode, Steckborn

«Was kann man gegen 'glauben, lieben, hoffen' haben? Eigentlich nichts. Doch seitdem ich erfahren habe, dass 'wir' jetzt einen 'Claim' haben, fühle ich mich wie der Gemüsehändler aus einem bekannten Text von Václav Havel (1978). Denn nun wurde uns von oben ein Spruch verordnet. Es ist also nicht der Inhalt, über den ich mir Gedanken mache, sondern sein Weg zu mir. Und dies weckt eine Frage, die mich in Hinblick auf die Zukunft nachdenklich stimmt: Ist es etwa der Schwanengesang einer untergehenden Institution?»

Nicht einsam


Martina Bell-Hotz, Mitglied der Synode, Frauenfeld

«Kirche heisst für mich, miteinander unterwegs zu sein: gemeinsam über den Glauben nachzudenken und unsere Verbindung zu Gott zu vertiefen. Gottes Wunsch ist eine persönliche Beziehung. Das bedeutet für mich, meine Mitmenschen zu lieben, für sie da zu sein und miteinander zu hoffen und zu beten: gemeinsam auf Gottes Stimme zu hören und zu erkennen, was sein Wille ist. Als Solochrist geht es nicht, wir brauchen einander, damit wir in diese wunderbare Gottesfamilie hineinwachsen können.»

 

 

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