News aus dem Thurgau

Gemeinsam in der Erde buddeln

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21.02.2022
Seit 2015 wird in Frauenfeld ein 4500 Quadratmeter grosser Gemeinschaftsgarten bewirtschaftet. Unterstützt wird der Verein offenes Gärtnern in Frauenfeld ogif von der Stadt Frauenfeld, aber auch von der Evangelischen Kirche Frauenfeld und der katholischen Pfarrei St. Anna.

Minus drei Grad. Der Gemeinschaftsgarten an der Murg, hinter der Alterssiedlung an der Kesselstrasse gelegen, gibt sich frostig, aber zauberhaft. Raureif überzieht die gekrausten Blätter eines Federkohls und lässt roten Mangold in der Sonne glitzern. Vier Frauen streifen durch die Gartenbeete. Die «Namenstäfeli» darauf sind nur noch schwach lesbar. Verblühte Sonnenblumenköpfe liegen in Holzkisten zum Mitnehmen bereit. Als Nahrung für die Vögel oder zum Setzen. «Bei uns haben sich die Sonnenblumen genug versamt», sagt Fiona Käppeli. Sie ist die Präsidentin des Vereins für offenes Gärtnern in Frauenfeld ogif und setzt sich seit 2017 mit Hand und Herz für ein grüneres Frauenfeld ein. Gestartet hat das Projekt bereits zwei Jahre zuvor. Judith Degen, Pionierin im urbanen Gärtnern, wollte junge Leute der Kulturarbeit für Frauenfeld KAFF für den Gemüseanbau gluschtig machen und suchte dafür ein Stück Land. Zwei Jahre brauchte es bei der Stadt Frauenfeld an steter Überzeugungsarbeit, bis ihnen ein gut 300 Quadratmeter grosses Grundstück überlassen wurde. Doch wie aus einem Samen eine zarte Pflanze wächst, blühte auch der Verein auf. Immer mehr passionierte Gärtnerinnen oder Institutionen beteiligten sich an dem Projekt des gemeinsamen Gärtnerns. So stiess 2018 etwa Katharina Portmann mit Flüchtlingen von Solidaritätsnetz zum Verein, sowie die Evangelische Kirchgemeinde Frauenfeld und die katholische Pfarrei St. Anna.

Hochbeete verteilt in der Stadt
Immer mehr Leute wollten sich beteiligen. Fiona Käppeli sagt dazu: «Wir schauten neidisch auf das brach liegende Land gleich neben unserer Parzelle, auf dem höchstens Schafe weideten.» Gespräche mit der Stadt fruchteten und so konnte der Verein die 4000 Quadratmeter grosse Fläche 2018 übernehmen. Der Werkhof der Stadt Frauenfeld legte eine Wasserleitung zum Garten, stellte Hochbeete auf und bereitete den Boden vor. Inzwischen können sich bis zu 60 Gärtnerinnen und Gärtner auf ihren Beeten tummeln. Darunter viele Familien, Paare, aber auch Einzelpersonen. «Im Alter von 22 bis 70 Jahre», schätzt Katharina Portmann, die als Koordinatorin des Gemeinschaftsgartens angestellt ist. Doch Fiona Käppeli wollte nicht nur hier wirken, sondern noch mehr in der Stadt Frauenfeld «essbar» machen. So wurden an sieben verschiedenen Standorten Hochbeete aufgestellt. An diesen darf sich jede und jeder je nach Saison mit Snackgurken, Andenbeeren oder Knackerbsen bedienen. Die Hochbeete im Burstelpark etwa werden von Ruth Kaufmann betreut. Urban Gardening, wie es auf Neudeutsch heisst, hat sie als direkte Nachbarin neugierig gemacht. Das geht nicht nur ihr so. «Oft entstehen interessante Gespräche mit Leuten, wenn ich gerade bei den Hochbeeten bin. Wegen der Pandemie bleiben viele auf einen Schwatz stehen, fragen nach oder geben Tipps», sagt Ruth Kaufmann.

Saatgutzucht im Klösterligarten
Die vierte Gärtnerin an diesem Morgen, Carmen Cescon, sorgt vor allem für mehr Biodiversität. Sie kümmert sich um die Bienenweide und möchte noch mehr Stauden anpflanzen. «Zu Beginn war Fiona gar nicht glücklich, dass ich kein Gemüse anbauen wollte», sagt Carmen Cescon lachend. Denn Bienen sowie Insekten sind wichtig für die Biodiversität und sollen sich nebst Salaten, Federkohl und sonstigem Gemüse ebenso wohlfühlen. Darüber hinaus widmet sich Fiona Käppeli noch einem weiteren Projekt: Sagezu, was Samengemeinschaftszucht bedeutet. Angeregt von Judith Degen und Robert Zollinger, Thurgauer Saatgutzuchtpionier in Bioqualität mit heutigem Sitz in Les Evouettes, startete das Projekt Sagezu 2018 parallel zum Gemeinschaftsgarten. Die beiden Frauen und Robert Zollinger suchten in Frauenfeld nach dem richtigen Stück Land für die Saatgutzüchtung. Richtig bedeutet in diesem Fall: Im Umkreis von 500 Metern darf keine ähnliche Pflanze wachsen. Deshalb ist die Saatgutzüchtung nicht im Gemeinschaftsgarten untergebracht. Fiona Käppeli erklärt: «Wir hätten uns sonst mit dem Gemüseanbau sehr einschränken müssen.» Fündig wurden die drei im Garten des Klösterlis der katholischen Pfarrei St. Anna. Der ideale Ort, mit einer Mauer rundherum und passend zur Kultur eines Klostergartens.

Miteinander gärtnern ist Programm
Was bringt die vier Frauen dazu, ihre wertvolle Freizeit nebst Familie und Job mit Gartenarbeit zu verbringen? Der Name des Vereins bringt es auf einen Nenner: Es ist die Gemeinschaft. Gemeinsam gärtnern, voneinander lernen, miteinander gestalten, geniessen und feiern. Das sei auch der Unterschied zu einem Schrebergarten, sagt Fiona Käppeli. Im Schrebergarten schaut jeder zu seinem eigenen Garten. Hier im Gemeinschaftsgarten kann jede und jeder nach Lust, Laune und Können eine kleinere oder grössere Parzelle bewirtschaften. Zusätzlich gibt es zweimal im Monat gemeinsame Aktivitäten, bei denen alle anpacken. Es werden Referate organisiert, die sich dem Mulchen, der Permakultur und weiteren Gartenthemen widmen. Leute, die sich erstmals ans Gärtnern wagen, finden zudem Tipps und Anregungen. Bald schon können sich die Gärtnerinnen und Gärtner für ihr Stück Land melden. Die Vorfreude auf die neue Saison ist den Frauen anzusehen. Besonders bei Fiona Käppeli: «Da wir bei Sagezu so viele Samen von Andenbeeren (Physalis) ernten konnten, probieren wir nun fünf verschiedene Sorten Popkornmais aus. Ich bin gespannt, welche Sorte sich für die Samengewinnung eignet.»

 

(Claudia Koch)

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