Gebetsteppich im Kreuzfeuer
Die beiden Thurgauer Landeskirchen setzen sich für die freie Ausübung der Religion – auch im Rahmen der Seelsorge in der Schweizer Armee – ein. Im Folgenden veröffentlicht der Kirchenbote die Reaktion von Christina Aus der Au, Präsidentin der Evangelischen Landeskirche Thurgau, und Cyrill Bischof, Präsident der Katholischen Landeskirche Thurgau, im Wortlaut:
"5.5 % der Schweizerinnen und Schweizer sind muslimischen Glaubens. Einige davon sind in der Schweizer Armee und haben letzte Woche anlässlich des Opferfestes gemeinsam gebetet. Gegen Mekka geneigt, wie sich das gehört. Und völlig freiwillig.
Im Dienstreglement der Armee ist die Glaubensfreiheit und der Respekt gegenüber Andersgläubigen ausdrücklich festgehalten, auch in der Bundesverfassung. Umso trauriger ist es, wenn ausgerechnet Vertreter derjenigen Partei, welche sich die Schweizer Werte auf die Fahne geschrieben hat, mit ihrer Reaktion diese Werte mit Füssen tritt.
Nein, die Schweiz wird nicht untergehen, weil Armeeangehörige mit muslimischem Glauben gemeinsam beten, im Gegenteil! Sie gewinnt, weil hier Religion friedlich gelebt werden darf und Menschen mitsamt ihrem Glauben auch in der Armee respektiert werden. Die gelebte Toleranz und der respektvolle Umgang gegenüber allen tragen zum religiösen Frieden in unserem Land bei.
Die Schweiz verliert, wenn selbsternannte Verteidiger des Christentums meinen, dieses nationalistisch verengen zu müssen. Die Schweiz ist längst nicht mehr nur christlich. Sie ist muslimisch, jüdisch, buddhistisch, agnostisch, atheistisch und noch viel mehr. Und sie bleibt ihren Werten dann treu, wenn Gläubige ihre Religion leben dürfen, feiern, singen, beten. Und wenn Andersgläubige – wie offenbar geschehen –, interessiert und respektvoll an einer solchen Zeremonie teilnehmen dürfen.
Uns Vertreterinnen und Vertreter der beiden Thurgauer Landeskirchen erschrecken die hasserfüllten Reaktionen auf Twitter und in den Kommentarspalten der sozialen Medien. Dafür die christlichen Werte oder das christliche Abendland ins Spiel zu bringen, empfinden wir als zutiefst falsch. Das darf nicht in unserem Namen geschehen - und schon gar nicht im Namen von Jesus Christus, der Andersgläubigen und Andersdenkenden immer respektvoll und liebevoll begegnet ist."
Gebetsteppich im Kreuzfeuer