Erstmals ergreifen die kirchlichen Hilfswerke eine Initiative
Anfang dieser Woche machte der Schweizer Rohstoffhändler Vitol Schlagzeilen. Der global tätige Konzern bemühe sich zu wenig um die Wahrung der Menschenrechte und Umweltstandards bei seinem Kohlegeschäft in Südafrika. Das zeigt eine Untersuchung von «Brot für alle» Bfa. Solche Missstände wollen die kirchlichen Hilfswerke zusammen mit rund 70 weiteren Organisationen beheben. Sie haben darum die Konzernverantwortungsinitiative lanciert. «Es braucht Gesetze, die die Schweizer Konzerne zwingen, ihre Geschäfte überall mit der nötigen Sorgfalt anzugehen», sagte Nationalrätin und Fastenopfer-Präsidentin Lucrezia Meier-Schatz an der Pressekonferenz zum Fall Vitol.
Initiative als Wagnis
Die kirchlichen Hilfswerke beteiligen sich damit zum ersten Mal an einer Initiative. «Für uns ist es ein Wagnis, so konkret zu werden», meint Jeanne Pestalozzi, Präsidentin des Stiftungsrates von «Brot für alle». Das Hilfswerk will durch Grundlagenarbeit und das Bereitstellen von Material zur Meinungsbildung beitragen. «Die Partnerorganisationen im Süden haben uns überzeugt, uns in diesem Fall stärker zu engagieren», sagt Pestalozzi.
Immer wieder werden die kirchlichen Hilfswerke kritisiert, sie seien zu links. Es ist der Bfa-Präsidentin klar, dass das Engagement für die Konzernverantwortungsinitiative diesen Eindruck verstärken dürfte. Doch sie betont: «Wir beziehen nicht parteipolitisch Stellung. Wir befolgen die sozialethischen Richtlinien des Kirchenbundes.» Pestalozzi weist darauf hin, dass Bfa die Kampagne für die Initiative ausschliesslich über zweckgebundene Spenden finanziere.
Eine gesetzliche Pflicht zur Sorgfaltsprüfung beschere den Firmen zu Beginn zwar einen Mehraufwand. Doch die Vorgaben seien massvoll, findet Jeanne Pestalozzi. Als Mitglied der gleichnamigen Unternehmerfamilie kennt sie die wirtschaftliche Seite: «Wer sich heute fair verhält, ist gegenüber der Konkurrenz im Nachteil.» Die Umsetzung der Initiative würde für einen fairen Wettbewerb sorgen.
Einige Kantonalkirchen ziehen mit. Die Kirche Bern-Jura-Solothurn trägt die Initiative mit. «Wir pflegen eine enge Zusammenarbeit mit Brot für alle», erklärt Heinz Bichsel, Leiter der Fachstelle Ökumene, Mission und Entwicklungszusammenarbeit OeME. Bereits im Jahr 2003 legte der Synodalrat eine Policy «Für die Globalisierung der Gerechtigkeit vor». Die Konzernverantwortungsinitiative nehme ein wichtiges Anliegen aus diesem Grundlagendokument auf, so Bichsel: «Die Initiative stimmt mit unserer entwicklungspolitischen Linie überein.»
Aus christlicher Verantwortung
In der Ostschweiz unterstützen die Bündner und die Schaffhauser Kantonalkirchen die Konzernverantwortungsinitiative. Die Bündner Synodalen verabschiedeten eine Resolution: «Die Synode freut sich, dass die Konzernverantwortungsinitiative ergriffen wurde, sie entspricht unserer christlichen Verantwortung.» Es sei «höchste Zeit, dass die Richtlinien der UNO durch verbindliche Gesetze geregelt» würden.
Der Schaffhauser Kirchenrat bat in seinem Rundschreiben Ende Juni die Kirchgemeinden, «anlässlich von Gottesdiensten, Suppenzmittag, Basar usw.» über die Initiative zu informieren und Unterschriften zu sammeln. Die Volksinitiative sei ein neuer Schritt für die Kirchen, ein Schritt in Richtung Politik, bestätigt die Schaffhauser Beauftragte für Entwicklungszusammenarbeit, Doris Brodbeck. Sie wehrt sich jedoch dagegen, einem politischen Lager zugeordnet zu werden: «Wir möchten, dass die Firmen die Initiative als Chance für einen fairen Wettbewerb begreifen.»
Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».
Zum Bild: Die Konzernverantwortungsinitiative will erreichen, dass Rohstoffhändler wie Vitol Menschenrechte und Umweltschutz wahren. Hier der Fluss Riverlea bei Johannesburg, der durch die Mine Mooifontein verschmutzt wird.
Brot für alle/Daniel Tillmanns
Karin Müller / Interkantonaler Kirchenbote / 28. August 2015
Erstmals ergreifen die kirchlichen Hilfswerke eine Initiative