Er spürte den Schwung
Die menschlichen Begegnungen sind es, an die sich Rolf Bartholdi spontan erinnert, wenn er auf seine zwölf Jahre als Kirchenrat zurückblickt. Es ist nicht – wie erwartet – die Totalrevision der Kirchenordnung, die auch ihn während mehreren Jahren beschäftigte. Die Gesprächskultur in der Synode und anderen kirchlichen Gremien erlebte der Jurist als sehr offen und fair. «Abgesehen von wenigen Auseinandersetzungen arbeitsrechtlichen Inhaltes mussten kaum grundsätzliche Rekursentscheide vorbereitet und begründet werden.» Zudem schätze er die Gesprächssynode und die breit abgestützten Folgeveranstaltungen zur Zukunft der Landeskirche: «Weil alle auf ihre eigene Weise zu Wort kamen, weil die gelebte Kirche im Zentrum stand, nicht die akademische Auseinandersetzung.»
Hilfe bei Konflikten
Bartholdi freut sich auch über die Akzeptanz der Ombudsstelle für kirchliche Mitarbeitende, die bei Konflikten auf der Beziehungsebene vermittelt: «Dies nicht durch Entscheid aufgrund der Rechtslage, sondern durch wertschätzende Zuwendung beim Ausleuchten verschiedener Blickwinkel.»
Bauen und Festen verbindet
So richtig ins Schwärmen kommt der Kirchenrat, wenn er von seinen Erlebnissen als Präsident der Kommission für kirchliche Bauten erzählt: «In der Probstei Wagenhausen haben wir eine Glocke aus dem Jahr 1291, dem Gründungsjahr der Eidgenossenschaft. Sie läutet heute noch!» In dieser Funktion arbeitete Bartholdi mit Glockenspezialist Hans Jürg Gnehm und Architekt Hansjörg Affolter zusammen und erlebte dabei viele Höhepunkte, die ein ganzes Buch füllen könnten. Auch bei den Kirchgemeinden spürte er Schwung und Zusammenhalt: «Wenn es ums Bauen eines Gemeindezentrums oder Restaurieren der Kirche geht, lebt die Gemeinschaft so richtig auf. Sogar distanzierte Gemeindeglieder lassen sich von der Begeisterung anstecken.» Unvergessen sind für Bartholdi auch die drei Kirchensonntage: «Ich erinnere mich an wunderbare Begegnungen. Für unsere landeskirchliche Identität und das Zusammengehörigkeitsgefühl finde ich das gesellige, zweckfreie Feiern fast wichtiger als ein grossartiges Festprogramm.»
Knifflige Fragen
In seiner Beraterfunktion häuften sich Anfragen rund ums geistige Eigentum. Seine Einschätzungen halfen so mancher Behörde, richtig zu entscheiden. Anders wie beim Denkmalschutz entfachten die kniffligen Urheberrechtsfragen bei Bartholdi jedoch kein inneres Feuer. Der gut vernetzte Jurist profitierte von den kurzen Wegen im Thurgau: «Unkompliziertes Nachfragen beim Kanton und die gute Zusammenarbeit mit dem katholischen Kirchenrat erleichterten mir vieles.» Mit dem Rücktritt aus dem Kirchenrat auf Ende Mai gibt der pensionierte Jurist sein letztes öffentliches Amt ab und wendet sich Neuem zu: «Die aktuelle Situation hält mich davon ab, grosse Zukunftspläne zu schmieden. Ich werde mein Leben in kleinen Schritten neu sortieren, denn ich weiss, dass Gesundheit eine unzuverlässige Planungspartnerin ist.» Ein bisschen Wehmut schwingt mit, aber Bartholdi kann auf ein Beziehungsnetz bauen, an dem er mit seiner offenen Art selbst aktiv gewoben hat.
(Brunhilde Bergmann, 21. April 2020)
Er spürte den Schwung