News aus dem Thurgau

«Ein saures Gesicht ist unnötig»

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23.02.2017
Fasten «überlebt» man nicht nur, es ist sogar eine Wohltat: Mit dieser Erfahrung öffnet Alfred Stumpf die Türe zu einer Praxis, die bereits in der Bibel verwurzelt ist. Dort finden wir Menschen, die Momente des Gebets und der Reue mit Fasten verbanden. Schon im Alten Testament wird dabei die Wichtigkeit der Herzenshaltung und der Nächstenliebe betont.

Interview: David Gysel

Alfred Stumpf, was hat sich in Ihrem Erleben mit Fasten im Laufe der Jahre verändert?
Es bleibt die Einsicht, dass jedes Fasten anders ist. Wenn man meint, zu wissen, was kommt, und entsprechende Erwartungen aufbaut, werden die Erwartungen enttäuscht. Eine offene Haltung, die Bereitschaft anzunehmen, was sich zeigt, hält als Effekt über die Fastentage hinaus an.

Welche biblischen Inhalte sprechen Sie rund um das Fasten speziell an?
Jesus mahnt in der Bergpredigt, beim Fasten kein saures Gesicht zu machen – wozu es auch keinen Grund gibt. Da sich beim Fasten eine höhere Empfindsamkeit einstellt, sind mir Texte nahe, die es mit sozialer Verantwortung verbinden. Jesaja macht das, wenn er sagt: «Dies ist ein Fasten, wie ich es liebe...» und dann aufruft, sich für Leidende einzusetzen.

Welche Aspekte des Gebets verbinden Sie am stärksten mit dem Fasten?
Die grössere Empfindsamkeit fliesst, zusammen mit dem Gefühl von Ohnmacht angesichts des Zustandes der Welt, in das Gebet ein. Es wird intensiver.

Welche ganz praktischen Ratschläge geben Sie zum Fasten gerne weiter?
Fasten ist nicht nur zum Abnehmen da. Das ist der körperliche Aspekt. Daneben stehen, gleich wichtig, eine geistliche und eine soziale Dimension. Das Einsteigen ins Fasten ist leichter als das Wiedereinsteigen ins Essen. Da besteht die Gefahr, die gewonnene Freiheit wieder wegzuwerfen. Die vollständige Darmentleerung zu Beginn und während des Fastens sind wichtig. Wenn dann der Körper von der äusseren auf die innere Ernährung umschaltet, verschwinden Hungergefühle. Während des Fastens sollte sehr viel getrunken werden, um die Entschlackung des Körpers zu unterstützen. Schwangere und Menschen mit zehrenden Erkrankungen sollten nicht fasten. Menschen, die im Beruf langanhaltende Konzentration brauchen, sollten das Fasten im Alltag vermeiden.

Was sagen Sie jemandem, der ein Fasten nicht gut erlebt hat?
Was als «nicht gut» erlebt wird, hat mit Erwartungen zu tun. Dann gibt es beim Fasten psychische und körperliche Krisen: Starke Kopfschmerzen können eine Reaktion auf Koffeinentzug sein. Das geht schnell vorbei. Schmerz ist «Heilungsschmerz».

Wie können sich persönliches Fasten und Gruppenfasten gut ergänzen?
Eine Gruppe Gleichgesinnter unterstützt. Wenn ein Austausch dazukommt, der neben der körperlichen Befindlichkeit auch Lebensthemen und geistliche Aspekte anspricht, wird der Alltag beeinflusst.

Welche Bedeutung kann Fasten für Christen in der evangelischen Kirche haben?
Evagrius Pontikus sagte: «Ein schmutziger Spiegel gibt die darauf fallende Gestalt nicht deutlich wieder, und ein von Sattheit abgestumpftes Denken nimmt die Erkenntnis Gottes nicht auf.»

 

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