Ein grosser Wurf
Noch in den 1840er-Jahren gingen in der Eidgenossenschaft die Vorstellungen über die politische und gesellschaftliche Ordnung im Land gewaltig auseinander. Während liberale Kantone wie der Thurgau auf die Schaffung eines Bundesstaates hinwirkten, lehnten konservative Kräfte in den katholischen Kantonen einen Bundesstaat ab, weil sie um ihre Souveränität und ihren Einfluss fürchteten. Diese Kantone gründeten deshalb den Sonderbund. Im November 1847 kam es zum Bürgerkrieg. Als Sieger gingen die liberalen Kantone hervor.
Entwurf schon nach 51 Tagen
Der Ausgang dieses letzten Bürgerkrieges auf Schweizer Gebiet trieb die Revision des Bundesvertrages von 1815 voran. Eine 23-köpfige Kommission wurde gebildet, die einen Textentwurf schon nach 51 Tagen vorlegen konnte. Der Text wurde der Tagsatzung und den Kantonen unterbreitet und erfuhr nur wenige Änderungen. Anschliessend sagten die meisten Kantone – darunter der Thurgau – Ja zur neuen Verfassung.
Am 12. September 1848 erklärte die Tagsatzung die Bundesverfassung als angenommen. Damit war die Eidgenossenschaft vom Staatenbund zum Bundesstaat und zur ersten stabilen Demokratie in Europa geworden. Am 16. November 1848 wählte die Vereinigte Bundesversammlung die ersten sieben Bundesräte – alles Freisinnige.
Die Eidgenossenschaft hatte aus eigener Kraft ihre neue, nationale Form gefunden, während die meisten Länder in Europa taumelnd ihren Weg suchten. «Das ist das Grosse, das der Epoche ihre geschichtliche Bedeutung verleiht», schreibt Peter Dürrenmatt in seiner Schweizer Geschichte. Es sollte allerdings noch Jahrzehnte dauern, bis sich die katholisch-konservative Minderheit mit den neuen Verhältnissen abfinden konnte.
Thurgau leistete Vorarbeit
Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass der Thurgau wichtige Vorarbeit für die Bundesverfassung von 1848 geleistet hatte. Schliesslich hatte sich der Kanton – als einer der ersten – unter der Führung des Weinfelder Pfarrers Thomas Bornhauser bereits 1831 eine Verfassung in liberalem Sinne gegeben. Und der Berlinger Johann Konrad Kern trug als deutschsprachiger Redaktor der Bundesverfassung 1848 viel zum Gelingen dieses epochalen Werkes bei, das, auch nach Teil- und Totalrevisionen, noch immer in seinen Grundzügen gilt.
Ein grosser Wurf