News aus dem Thurgau

Dramatischer Weckruf

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24.02.2022
Verschlungen, verschwunden und verschont: Die biblische Geschichte des Jona wird gerade in der Coronakrise zu einem Weckruf mit dramatischem Gegenwartsbezug. Kirchgemeinden im Aufbruch wollen sich dies zunutze machen.

Das Netzwerk Aufbruch Ost sucht zusammen mit interessierten Kirchgemeinden nach Visionen, wie sich die Kirche der Zukunft entwickeln kann. Das Netzwerk wird getragen von der Evangelisch-reformierten Landeskirche St.Gallen und der Evangelischen Landeskirche Thurgau und will Kirchgemeinden zum Aufbruch motivieren. Dabei spielen Erfahrungen verschiedener Kirchen und Länder eine Rolle. Deshalb ist das Netzwerk auf Martin Werlen gestossen.

Abschotten ist der falsche Weg
Der frühere Abt von Einsiedeln, heutige Pater und Autor Martin Werlen ermutigt christliche Gemeinden mit seinem neuesten Buch «Raus aus dem Schneckenhaus», sich nicht abzuschotten sondern mutig mit Menschen zusammen gemeinsam und vertrauensvoll einen Weg in die Zukunft zu suchen. In seinem Buch «Zu spät» reflektiert er die Figur des Propheten Jona. Dieser mahnt die Stadt Ninive im Auftrag Gottes zur Umkehr zu Gott, um der Zerstörung zu entgehen. Zuvor hat er sich aber dagegen gesträubt. Erst nachdem er von einem grossen Fisch verschlungen wurde, kam er – nach drei Tagen in dessen Bauch – zur Einsicht, trotzdem nach Ninive zu gehen. Die Folge: Die ganze Stadt bereut den unguten Lebensstil, kehrt um und bleibt verschont, was erstaunlicherweise den Zorn des Propheten weckt.

Gott hält Spiegel vor
Werlen ist überzeugt: «In diesem Gleichnis hält uns Gott heute gleichsam den Spiegel vor. Es ist eine göttliche Provokation in unserer Situation wie kaum ein anderes Buch.» Genauso wecke die Corona-Pandemie «gehörig auf, obwohl sie sehr lähmend wirkt. Die Frage ist nicht so sehr, ob die Kirche gefragt ist, sondern ob sie bei den Menschen ist, dort, wo diese sind, mit den Bedürfnissen, die sie haben. Diesen Weg ist Jesus vor 2000 Jahren gegangen, diesen Weg geht er auch heute.» Und Werlen richtet sich ebenso provokativ mit einer ganz grundlegenden Frage an alle Mitglieder von Kirchgemeinden: «Sind wir mit ihm?» Er räumt ein, dass die Kirche zusammen mit den Menschen um den Weg in die Zukunft ringen müsse: «Wir müssen hörend bei den Menschen sein. Wir gehen nicht als Lehrende oder Besserwissende zu ihnen, sondern als Lernende. Zusammen mit ihnen horchen wir, was Gott uns heute sagt. Das lernen wir im Buch Jona.»

Zum Herzensanliegen machen
Die Ökumene spiele dabei ebenso eine Rolle, ist der Katholik überzeugt, der Ende März an der Tagung des evangelischen Netzwerks Aufbruch Ost in der Kartause Ittingen sprechen wird: Es sei für die Zukunft unabdingbar, «dass wir als Getaufte eins sind. Das ist Jesu Herzensanliegen.» Man könne sich nicht Christ oder Christin nennen, «wenn wir dies nicht auch zu unserem Herzensanliegen machen. Wir konzentrieren uns nicht auf unsere Grenzen und Eigenheiten, sondern auf den, der uns ruft.» Gemeinsam mit Vertretungen aus den unterschiedlichsten Kirchgemeinden auf dem Weg zu sein, sei wertvoll, denn: «Die Erfahrung des Miteinanders, das uns Augen, Ohren und Herzen öffnet, ermutigt zum engagierten Weitergehen.»

«Das Zeichen des Jona – Impulse für eine Kirche nach Corona»: 4. Tagung für Gemeinden des Aufbruchs, Kartause Ittingen, mit Pater Martin Werlen, Sonntag/ Montag, 27./28. März 2022. Anmeldung an Tecum, 052 748 41 41, tecum@kartause.ch, www.tecum.ch.

 

(Cyrill Rüegger / Roman Salzmann)

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