Digitales Fasten im Kloster
Ben Suter* griff in seine Hosentasche, doch da war es nicht, sein Handy. Für den 29-Jährigen war dies aussergewöhnlich. Es fehlte ihm etwas, gleichzeitig fühlte er sich freier und unabhängiger. Und diese Freiheit wollte er nutzen für lange Spaziergänge und zum Lesen.
Zwei Tage zuvor war Suter ins Kloster Einsiedeln eingetreten. Eine Woche lang lebte der Banker mit den Benediktinern zusammen, nahm an den Gebetszeiten teil und schwieg mit ihnen während der Mahlzeiten. Ben Suter wollte nicht nur das Klosterleben kennen lernen, er wollte eine Woche lang auf alle elektronischen Medien verzichten. Leben ohne Handy und Computer, quasi digital fasten hinter den Klostermauern, witzelt er.
Er sei kein digitaler Junkie, erklärt Suter. Aber von Berufs wegen arbeitet er den ganzen Tag lang am PC. Auf seinem Bildschirm läuft ein Newsticker mit fünf Agenturmeldungen pro Minute. Permanent muss er aufpassen, nichts zu verpassen. Das bringe eine unglaubliche Hektik in den Alltag, sagt er. Er habe sich aus diesem Kreislauf herausnehmen wollen, habe entschleunigen und so unbeschwert leben wollen wie einst als Kind, erzählt er.
RĂĽckzug ins Kloster
Immer mehr Klöster in der Schweiz öffnen ihre Pforten. Die meisten Ordensgemeinschaften sind bereit, ihren Gästen einen längeren Aufenthalt zu ermöglichen. Um Abstand vom Alltag zu bekommen, sich zu besinnen, neu auszurichten oder aus der Hektik des Arbeitslebens auszubrechen. Seit dreissig Jahren existiere dieses Angebot bei ihnen, erklärt Bruder Norbert vom Kloster Rapperswil. Für ein bis zwei Wochen kann man hier hinter den Klostermauern in der Gemeinschaft mit den Brüdern leben. Einzelne kämen jedoch, um bewusst auf das Handy und den PC zu verzichten. Sie nützen den Klosteraufenthalt, um den digitalen Stecker zu ziehen.
Auch das Kloster Disentis bietet «Kloster auf Zeit» an, in der die Gäste mit den Mönchen zusammenleben. In der Klausur leben die Brüder ohne Handy und Computer. «WLAN gibt es nicht», erklärt Bruder Michael. Das wird von den Gästen geschätzt. Viele erlebten hier, wie ihnen der Ausstieg aus den digitalen Medien gut tut. «Die permanenten Nachrichten können einen deprimieren und runterziehen», so Bruder Michael.
Digitalen Ausstieg organisieren
Der digitale Ausstieg sollte gut organisiert sein, rät Ben Suter. Er ersetzte im Whatsapp den Status und änderte sein Profilbild. In der Bank erklärte er, dass man ihn nicht anrufen könne, für Notfälle hinterliess er die Nummer des Klostersekretariats. Suters Umfeld reagierte auf seinen Ausstieg zunächst mit Unverständnis, viele glaubten nicht, dass «er dies durchziehen könne». Später war das Feedback positiv, sie fanden es «cool». Im Kloster merkte Ben Suter, dass er keine News braucht und wie viel Zeit er zur Verfügung hat ohne die digitalen Medien. Er las viel, unternahm lange Spaziergänge und fand die Musse, seinen Gedanken nachzuhängen. Mit der Zeit entdeckte er die Lust am Laufen.
Seit seinem Aufenthalt im Kloster trägt Ben Suter wieder eine Uhr am Arm. So muss er nicht zum Handy greifen, wenn er wissen will, wie spät es ist. Und wenn er sich auf eine Aufgabe konzentriert, dann legt er sein Handy zur Seite. Suter ist dann mal digital weg.
Tilmann Zuber, kirchenbote-online
* Der Name ist der Redaktion bekannt.
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