News aus dem Thurgau

Die Stossrichtung ist geblieben

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24.05.2021
Wilfried Bührer: 65 Jahre alt, 40 Dienstjahre als Pfarrer, 30 Jahre Kirchenrat und seit 2003 Kirchenratspräsident der Evangelischen Landeskirche Thurgau. Anlass genug, um einen Blick auf bewegte Jahre zu werfen.

1981 wird der in Sulgen aufgewachsene Wilfried Bührer zum Pfarrer ordiniert. Gefragt, ob er sich erinnere, was ihm damals besonders wichtig war und welcher Text seiner Predigt zugrunde lag, antwortet er spontan: «Ja, ich es weiss noch genau, denn der Text aus Johannes 6.68 stand – und steht noch heute – gut sichtbar in der Kirche von Sulgen: ‹Wohin sollten wir gehen – du hast Worte ewigen Lebens.›» In den seiner Ordination vorausgehenden 70er-Jahren sei der Gottesdienstbesuch deutlich eingebrochen. «Darum stand damals schon die bange Frage im Raum, ähnlich wie sie schon Jesus seinen Jüngern gestellt hatte: ‹Wollt etwa auch ihr weggehen?› Und der Predigtinhalt orientierte sich an der Antwort von Petrus und war im Wesentlichen die Einladung, bei Christus zu bleiben. Ich würde heute mit ähnlicher Stossrichtung predigen.»

22 Jahre im Gemeindedienst
In den Kirchgemeinden Alterswilen-Hugelshofen und Felben wirkte und lebte Wilfried Bührer zwölf beziehungsweise zehn Jahre lang als Pfarrer. Es ist auch die eigene Biografie, die ihn, seine Ehefrau Hanny und ihre Kinder mit diesen Kirchgemeinden verbindet: «In der ersten Gemeinde wurden unsere Kinder getauft, in der zweiten konfirmiert. Es waren also unsere Familienjahre. Und wir denken gern ans Pfarrhausleben zurück, auch unsere Kinder. Was mir im Nachhinein auffällt: Ich war ja, jedenfalls in der ersten Gemeinde, ausgesprochen jung, und trotzdem begegneten mir die Leute mit sehr viel Vertrauen. Vielleicht war damals das Amtsverständnis noch stärker: Der Pfarrer war Amtsperson, durchaus im positiven Sinn gemeint – auch wenn er erst 25-jährig war.»

Konfirmationen bunter geworden
Am 3. Mai dieses Jahres feierte Wilfried Bührer mit den Jugendlichen in Müllheim Konfirmation. Fast auf den Tag genau 40 Jahre nach seiner ersten Konfirmationsfeier. Vergleichend erinnert er sich: «Wir hatten schon damals den Unterricht zu zweit gestaltet, meine damalige Braut und heutige Frau und ich – und jetzt wieder. Im Konfirmationsunterricht ist es gut, wenn bei den Verantwortlichen beide Geschlechter vertreten sind. So viel sich in diesen 40 Jahren verändert hat – die Grundfragen des Lebens und Glaubens sind für heutige 16-Jährige nicht so sehr anders als damals. Aber die Konfirmationsfeiern sind viel bunter geworden.»

Individualisierung hat eingesetzt
«Eine der Hauptveränderungen der letzten Jahrzehnte ist die Individualisierung», sagt Wilfried Bührer. «Das ist in mancher Hinsicht gut: die Leute sind vermehrt bereit mitzudenken und mitzugestalten. Man hatte früher grössere Jahrgänge von Konfirmanden und mehr Taufen und Trauungen. Ich hatte mal in den 80er Jahren in einem einzigen Sommerhalbjahr 28 Trauungen! Heute sind es weniger, diese sind aber aufwendiger. » Besonderes geschätzt habe er in all den Jahren als Pfarrer und Kirchenrat den Umgang mit jungen Menschen: mit Konfirmanden, (Theologie-)Studierenden, Pfarramtseinsteigenden. Anfänglich unterschätzt habe er als Exekutivmitglied, dass der Kirchenrat in mancher Hinsicht auch rechtliche oder fast gerichtliche Instanz sei. «Das hat gelegentlich an den Kräften gezehrt, vor allem bei langanhaltenden Streitigkeiten in Gemeinden. Mir tat es sehr leid, wenn nicht zu verhindern war, dass engagierte Leute sich enttäuscht von der Kirche abwandten.»

Verändert – aber schön
Seit jeher ermutigt Wilfried Bührer junge Menschen zum Theologiestudium, wenn er spürt, dass sie eine starke Verankerung im christlichen Glauben und Freude am Umgang mit verschiedensten Menschen haben. «Die Rahmenbedingungen der kirchlichen Arbeit werden sich verändern, mit Vor- und Nachteilen. Es ist und – ich glaube fest – es bleibt ein schöner Beruf.» Mit spürbarer Dankbarkeit fügt er hinzu: «Ideal ist es, wenn die Lebenspartnerin das berufliche Engagement mitträgt. Diesbezüglich hatte ich ausgesprochenes Glück.»

 

(Karin Kaspers-Elekes)

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