Die Seelsorge wahrnehmen
Auch die stille Abdankung ohne Teilnahme der Öffentlichkeit, aber durch Beteiligung der Kirche, nimmt Rücksicht auf die Bedürfnisse der Angehörigen. Was nicht nur durch Corona zunimmt, ist die Abdankung ohne Beteiligung der Seelsorger und Seelsorgerinnen. Das liegt weitgehend an der Individualisierung und Entfremdung gegenüber dem christlichen Glauben. Oftmals werden Sterben und Tod verdrängt oder in die Pflegeheime und Spitäler verbannt. An ihre Stelle tritt ein bisweilen eigenartig esoterischer Ersatz (Reinkarnation, Engel, Buddhas, Sterne und vieles mehr). Hinzu kommt, dass viele Menschen heute sehr alt werden. Dadurch wird der Kreis von Verwandten und Freunden ganz klein. Darum wird auf eine öffentliche Beerdigung verzichtet. Die in der Kirchenordnung formulierte theologische Begrifflichkeit, dass «die Erlösung durch Jesus Christus und die Auferstehung verkündet wird» ist vielen Mitmenschen heute leider eine fremde Sache geworden.
Die angedeutete gesellschaftliche Entwicklung kann die christliche Gemeinde nicht anders als zur Kenntnis nehmen. Das hält sie nicht ab, Sterben und Tod im christlichen Sinn vielleicht deutlicher zu machen als in den letzten Jahren, weil sie entscheidende Themen sind. Eine Chance bietet sich durch intensive Seelsorge an Sterbenden und Angehörigen, was sich bei der Coronakrise deutlich gezeigt hat. Während die öffentliche Abdankung schwindet, tut sich ein Raum auf für die Seelsorge. Sie ist wesentlich und letztlich das Gewissen der Kirche.
(Ernst Ritzi)
Die Seelsorge wahrnehmen