Die Ostertage erleben
Von Esther Baumgartner
Jesus zieht nach Jerusalem – nicht wie die Besatzer hoch zu Ross, sondern auf einem Esel. Doch wird er von vielen Menschen begrüsst, die für ihn Zweige und Kleider auf der Strasse ausbreiten. Wir feiern die Erinnerung daran am Palmsonntag. Jesus geht nun in den jüdischen Tempel. Dort schimpft er über den Verkauf von Opfergaben und er treibt die Händler hinaus. Damit bringt er die Leute gegen sich auf. Einer seiner Mitstreiter verrät ihn. Einmal noch sitzen alle zusammen zu einem letzten gemeinsamen Essen. Das Abendmahl, das wir zusammen im Gottesdienst feiern, erinnert daran. Die Gefangennahme von Jesus, ein Hin und Her von Beschuldigungen folgen. «Tod am Kreuz» lautet das Urteil. Daran erinnern wir uns an Karfreitag.
Selber erleben
Nach seinem Tod wird er in ein Steingrab gelegt. Als Frauen zum Grab kommen, ist der Stein weg und das Grab ist leer. Den Aposteln erscheinen die Berichte der Frauen wie «leeres Geschwätz» (Lukas 24,11). Sie müssen sich selber überzeugen, selber erleben, was dies für sie zu bedeuten hat. Unsere Herausforderung heute ist, das Ostergeschehen für unser Leben und unsere Kirchen zu deuten. Ostern soll nicht nur ein theoretisches Gebäude sein, sondern ein Glaubensraum, den ich miterleben und nachempfinden kann.
Das Leiden verstehen
Der Widerstand gegen Jesus führte bis zu seiner Gefangennahme und schmählichen Tötung am Kreuz. Für verfolgte, gefolterte und am Leben bedrohte Menschen wird Jesus dadurch zum Bruder, der das eigene Leid versteht und mitträgt. In unserer Gesellschaft sind solche Leidensvorstellungen weniger präsent als in Ländern, in denen das Überleben ein täglicher Kampf ist. Erinnern wir uns an die Worte in Matthäus 25,40: «Was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.» Gewalt gegen Menschen ist Gewalt gegen Gott selbst, weil er den Menschen das Leben gegeben hat. Von ihm singen wir in Liedern, dass er alle Menschen liebt. Beim Kreuz verweilen, die Ungeheuerlichkeit dieses Todes vor Augen halten – auch das gehört zum Miterleben der Ostertage. Die Worte von Jesus am Kreuz sind ein Zitat aus Psalm 22: «Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?» In diesen Worten liegt der Trost, solche Gefühle beim Namen nennen zu dürfen.
Osterfreude
Jetzt erst kommen wir zum Ostertag, zum grossen Freudenfest: Das Leben geht weiter! Freiheit und Freude gehören zum Auferstehungsglauben. Vertrauen entsteht in das Leben, das den Tod überwindet, berührt und verändert. Es ist die jahrtausendealte Antwort der Menschen, die im Vertrauen auf Gott unterwegs sind. «Der Herr ist auferstanden – er ist wahrhaftig auferstanden» – mit diesem altkirchlichen Osterruf können wir uns am Ostermorgen begrüssen. Geliebt und zum Leben bestimmt! Bei allem Widerstand, in allen Ungeheuerlichkeiten dieser Welt, in allem Schmerz über die tagtägliche Unmenschlichkeit gibt der Auferstehungsglaube die Kraft, den Menschen dies zuzusprechen. «Möge Gott jedem die Gabe geben, zu glauben, zu hoffen und zu lieben.»
Die Ostertage erleben