«Die Kirchenmusik kann sich halten»
Von Fabienne Beer
Stephan Giger, Sie sind seit 30 Jahren Kirchenmusiker bei der Kirchgemeinde Wil. Wie hat sich die Kirchenmusik in dieser Zeit verändert?
Am Auffälligsten war wohl die immer stärkere Akzeptanz der Popkultur im landeskirchlichen Umfeld. Das hängt meiner Meinung nach mit der gesellschaftlichen Individualisierung zu sammen.
Was bedeutet das für die künftige Entwicklung der Kirchenmusik?
Wo früher die wichtigen musikalischen Strömungen von der Kirche aus gingen, laufen wir heute dem Trend der Popmusik hinterher. Auch die Kirchenmusik wird sich immer schneller den neuen Trends aus der Popkultur anpassen müssen.
Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?
Beide Musikrichtungen haben ihre Berechtigung. Allerdings bin ich überzeugt, dass gerade dieser schnelle Wandel in der Popmusik dazu beitragen wird, dass sich die traditionelle Kirchenmusik halten kann. Der Wunsch nach einer gewissen Beständigkeit in einer sich immer schneller wandelnden Welt spüren auch wir in der Kirche.
Wo liegen Ihrer Meinung nach die grössten Herausforderungen?
Ich komme nochmals auf die Individualisierung zurück. Die Menschen wollen sich heute nicht mehr auf eine Freizeitbeschäftigung beschränken und sich für längere Zeit verpflichten. Deshalb haben wir zum Beispiel ein Chorprojekt ins Leben gerufen, das zeitlich begrenzt ist.
Wie muss man sich einen Tag als Kirchenmusiker vorstellen?
In der Schweiz gibt es kaum Kirchenmusiker mit einer vollen Anstellung. Ich bin da eine Ausnahme. Man muss dazu sagen, dass ich neben meinen Aufgaben als Musiker auch das Computernetzwerk und die Beschallungs und Multimedia-Anlagen betreue. Kein Arbeitstag gleicht dem anderen. Am Morgen übe ich oft Orgel oder Klavier. Je nach Dringlichkeit arrangiere ich Chor und Bandstücke, bereite Chorproben oder Projekte vor und spiele an Gottesdiensten. Am Abend finden Chor und Bandproben statt.
Sie bezeichnen Ihrer Stelle als Kirchenmusiker als ein Privileg. Inwiefern?
Die Grösse der Kirchgemeinde Wil bietet mir viele Entfaltungsmöglichkeiten. Dies und die gute Arbeitsatmosphäre tragen dazu bei, dass ich immer noch mit Leidenschaft Kirchenmusiker bin.
«Die Kirchenmusik kann sich halten»