News aus dem Thurgau

Das Wichtigste? Wegwerfen!

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23.05.2019
Seit 24 Jahren betreut Archivar Charles Stäheli aus Bürglen das Archiv der Evangelischen Kirchgemeinde Sulgen. Die Arbeit hat es in sich, und alle Kirchgemeinden erhalten deshalb Schulungsunterstützung.

Was für ein schöner Anblick: Die 180 Schachteln in stabilen Gestellen, die Kirchenbücher und Ordner aufgestellt in Reih und Glied. Es ist zwar ziemlich kühl im Archiv der Evangelischen Kirchgemeinde Sulgen an der Kirchstrasse 24, aber es «müffelet» überhaupt nicht. Komplimente will der freischaffende Archivar Charles Stäheli aus Bürglen nicht hören. Er habe das Archiv 1995 in einem guten Zustand übernommen – sogar mit Doppeltüre, einer Heizung und einem Entfeuchter. Das sei das Verdienst des ehemaligen Pfarrers Andreas Baumann, sagt Stäheli. Dennoch machte sich der Archivar, nachdem er sich einen Überblick verschafft hatte, ans Entrümpeln. «Das Wegwerfen ist das Wichtigste.»

Taufbuch von 1590
Was er alles wegwerfen darf, hat der ehemalige Primarlehrer und Heilpädagoge in einem Einführungskurs im Verein Schweizerischer Archivarinnen und Archivare sowie in vielen Weiterbildungen gelernt. Ebenfalls weiss er seit Langem, was er dringend aufbewahren muss. Stäheli ist trotzdem sehr dankbar für die neue Verordnung des Kirchenrates der Evangelischen Landeskirche des Kantons Thurgau über die Aktenführung und Archivierung (siehe auch Kasten). Diese Verordnung definiert präzise die Anforderungen an die Führung der Archive «zum Zweck der dauernden Überlieferung der Tätigkeit der Kirchgemeinden und der Landeskirche». Die alte Verordnung stammte aus dem Jahr 1980 und sei schon etwas überholt gewesen, sagt Stäheli. In den 180 Schachteln im Archiv in Sulgen ruhen denn auch alle geschäftsrelevanten Dokumente wie Jahresrechnungen, Protokolle, Botschaften. Unter den Kirchenbüchern ist ein Taufbuch aus dem Jahr 1590 das älteste.

Feuchtigkeit ist gefährlich
Nach Ablauf der gesetzlich festgelegten Aufbewahrungsfristen übernimmt das Archiv die überlieferungswürdigen Unterlagen zur dauernden Archivierung. Die Arbeit geht dem Archivar also nie aus. Wie viele Archive er schon betreut hat oder betreut, weiss Stäheli nicht genau. 70, 80, 90? Zu den Kirchgemeinden kommen ja auch noch die Archive von Schul-, Bürger- und politischen Gemeinden. Nach Abschluss des Inventars in einem Archiv gibt der Archivar der entsprechenden Behörde Hinweise auf Verbesserungen, die gelegentlich ausgeführt werden sollten. Stichworte sind zu hohe Feuchtigkeit oder Pilzschäden. Über die Ausführung der Vorschläge entscheidet die Behörde. Im Grossen und Ganzen seien die Behörden im Kanton Thurgau sehr aufgeschlossen. Sie wüssten um die Bedeutung ihrer Archive.

Fluss der Zeit spüren
Seit etwa fünf Jahren begleitet Brigitte Stäheli ihren Mann bei dessen Arbeit. Sie hat ebenfalls den Einführungskurs für Archivare absolviert. In den alten Büchern haben es ihr besonders die Vormundschaftsberichte angetan. Diese Schicksale, diese andere Sprache, diese Begrüssungsfloskeln! Sie spürt dann den Fluss der Zeit, diese Verbundenheit mit ganz vielen Menschen vor unserer Zeit. Das Wissen, dass man ein Glied in einer langen Kette sei, stimme versöhnlich, sagt auch Charles Stäheli. Was im Archiv gelesen und besprochen wird, bleibt in diesen Mauern. Für beide ist die Schweigepflicht selbstverständlich. Gelegentlich erhalten sie Anfragen von auswärts. «Wenn wir das Gesuchte finden, ist das ein besonders schöner Moment».

 

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