Damit Gestalten gelingt
Die Evangelische Landeskirche Thurgau will mit dem sechsten Lehrgang «Gemeinde gestalten» dazu beitragen, dass Kompetenzen für die Gemeindeentwicklung gefördert werden: Verantwortliche Personen sollen ihren Führungsstil schärfen und ihre Fachkompetenz erweitern können. Doch nicht nur dies – wie frühere Kursteilnehmende bestätigen: Sie hätten allesamt vom Erfahrungsaustausch mit anderen Personen, die sie teilweise begleiteten, und über die Gemeinde- und Kantonsgrenzen hinaus profitiert.
«Sprung ins kalte Wasser»
Für Jeannette Tobler war die Übernahme des Präsidiums der Evangelischen Kirchgemeinde Romanshorn-Salmsach «ein Sprung ins kalte Wasser». Zuvor habe sie die Kirchgemeinde aus Sicht einer freiwilligen Mitarbeiterin in der Jugendarbeit gekannt. Deshalb habe sie das Bedürfnis nach dieser praxisrelevanten Weiterbildung verspürt (siehe auch Interview weiter unten). Mit Erfolg: «Wir konnten unsere Organisation analysieren, hinterfragen und gewisse Punkte optimieren.»
Ein wesentlicher Fokus liege in ihrer Gemeinde auf der Freiwilligenarbeit. Dieses Thema werde aktuell beispielsweise in einer Intervisionsgruppe behandelt, der Mitglieder aus ihrer Kirchgemeinde sowie aus Amriswil-Sommeri, Bischofszell-Hauptwil und Kreuzlingen angehörten. Ihr persönlich habe das Modul «Projekte des Wandels» sehr gut gefallen, bei dem auch eine erfolgreiche Thurgauer Firma auf Wachstumskurs besucht wurde.
Gelernt habe sie vieles. Geblieben sei beispielsweise der kurze Austausch zu Beginn von Sitzungen über Positives und Aussergewöhnliches im kirchlichen Leben. Die ausgebildete Sozialversicherungsfachfrau hat mittlerweile selber viel Erfahrung sammeln können, wobei es ihr auch wichtig sei, weiterhin an der Basis zu engagieren. So übernimmt sie gerne «kleine Jobs» im Gottesdienst, beim Kirchenkaffee, für einen Apéro oder in einem kreativen Workshop.
Lehrgang Gemeinde gestalten 2025 / 2026
Start am 14./15. Februar 2025. Vier ganztägige Samstagsmodule, sechs Module Freitagabend/Samstag. Geeignet für Behörden, Pfarrpersonen, Freiwillige. Hier finden sich Details und Kontakt.
«Den Karren nicht überladen»
Dem Präsidenten der Evangelischen Kirchgemeinde Egnach wurde der Kurs mehrfach empfohlen: Daniel Christen hat die Diskussionen über die vielen schönen und bereichernden Seiten, aber auch über Herausforderungen immer wieder geschätzt (siehe auch Interview weiter unten). In seinem Lehrgang seien Gemeinden aus vertreten gewesen, die zum Teil mit knappen finanziellen und personellen Ressourcen zu kämpfen hätten.
Aktuell sei die Kirchgemeinde Egnach, wozu auch ein Teil von Evangelisch Muolen im Kanton St.Gallen gehört, sehr gut aufgestellt. «So möchte ich unseren Ressourcen auch in den nächsten Jahren Sorge tragen und den Karren nicht überladen. Für die letzte Behördenretraite konnten wir nicht zuletzt dank dem Lehrgang einen sehr guten Referenten gewinnen. So haben wir an der Retraite das gemeinsame Schwerpunktthema ‹Heimathafen Egnach› für die kommenden Jahre gefunden.»
Am besten zugesagt habe ihm im Lehrgang das Modul «Kommunikation nach innen und aussen». Inspiriert wurde er, wie die Kirchgemeinde im ganzen Dorf verstärkt präsent ein kann. Der Informatiker schätzt es deshalb auch, an etlichen geselligen Veranstaltungen in irgendeiner Funktion mitzuwirken.
«Heute organisiert, morgen überholt»
Heini Krauer profitiert als Präsident der Evangelischen Kirchgemeinde Münchwilen-Eschlikon noch einige Jahre nach dem Kursbesuch von den verschiedenen Modulen. Dank des Kurses habe in seiner Kirchgemeinde einiges organisatorisch weiterentwickelt werden können, die Freiwilligenarbeit sei intensiviert worden, und man habe in Fragen rund um Führung und Förderung dazu gelernt. Dementsprechend hätten ihm die Module über Wandel, Tradition und Innovation sowie über Kommunikation und zu Fragen rund um Einheit und Vielfalt besonders zugesagt.
Mitgenommen hat er vor allem eines: «Dinge, die heute neu organisiert werden, können morgen bereits überholt sein. Es gilt, sich ständig an neue Herausforderungen anzupassen.» Dazu hat er pensionierte Banker, der auch als Lektor in der Kirchgemeinde mitwirkt, einen spannenden Hintergrund, hat er doch ausserdem Theologie, Rechtswissenschaft und Politikwissenschaft studiert und einen Joint Master der Universitäten Zürich, Basel und Luzern in Religion, Wirtschaft und Politik erworben.
«Mehr über Werkzeuge erfahren»
Vom sechsten Kurs will sich nun auch die frisch gewählte Präsidentin der neuen Evangelischen Kirchengemeinde Andwil-Erlen, Corinne Brägger, inspirieren lassen. Gleich an der ersten Sitzung habe sie in der Vorsteherschaft den Vorschlag gemacht, den Lehrgang mit zwei Personen zu besuchen. Motiviert wurde die Reitpädagogin mit eigenem Pferdehof auch von Kurserfahrungen früherer Behördenmitglieder der fusionierten Kirchgemeinden: «Ich bin gespannt, mehr über Werkzeuge zu erfahren, die helfen, die Gemeinde zu leiten.»
Daniel Christen, Egnach, im Interview
Herr Christen, was haben Sie in diesem Lehrgang am besten gefunden und für die Entwicklung in Ihrer Kirchgemeinde am wertvollsten?
Am meisten geschätzt habe ich die neuen Bekanntschaften, die ich während zwei Jahren machen durfte. Während den Modulen, beim gemeinsamen Essen oder nach dem verdienten Feierabend bei einem Glas Wein lernte ich die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer sehr gut kennen. Die Gespräche fand ich als sehr bereichernd, verständlicherweise war die Kirche mit ihren vielen schönen und bereichernden Seiten, aber auch mit ihren Herausforderungen immer wieder ein Thema.
Im Lehrgang waren Gemeinden von den Kantonen St.Gallen, Appenzell Ausserrhoden und Thurgau vertreten. Leider kämpfen einige davon mit Ressourcenproblemen. Neben den finanziellen sind vielfach die personellen Ressourcen ein grosses Thema. Es wird immer schwieriger Mitmenschen für die Behördenarbeit oder für freiwillige Mitarbeit zu finden. Diese Probleme können zu Gemeindefusionen oder zur «Fremdverwaltung» durch die Landeskirchen führen.
Was konnten Sie in Ihrer Kirchgemeinde schon verbessern oder neu lancieren dank Ihren Erkenntnissen im Kurs?
Für die letzte Behördenretraite konnten wir nicht zuletzt dank dem Lehrgang einen sehr guten Referenten gewinnen. So haben wir an der Retraite ein gemeinsames Schwerpunktthema für die kommenden Jahre gefunden, Heimathafen Egnach. Wir möchten für viele Einwohnerinnen und Einwohner ein beständiger, zuverlässiger und sicherer Hafen sein. Mit unserem «Schiff» wollen wir dabei auch viele Neuzuzüger von unserer stark wachsenden politischen Gemeinde erreichen.
Welche Module haben Ihnen am besten zugesagt?
Wertvoll für unsere Gemeinde fand ich konkret das Modul «Kommunikation nach innen und aussen». Ein Grafiker hat uns anhand der bestehenden Broschüren, Flyer oder Webseiten konkrete Tipps oder Verbesserungsvorschläge gegeben.
Ein interessantes Thema war auch wie wir die Präsenz als Kirchgemeinde im ganzen Dorf oder bei neuen Einwohnern verstärken können. Bei diesem Lehrgang war unsere Sekretärin/Aktuarin auch mit dabei, so konnten wir ganz direkt profitieren.
Im Modul «Kirchgemeinde organisieren», durfte ich feststellen das unsere Kirchgemeinde schon sehr gut aufgestellt sind. Das können wir sicher meinem Vorgänger als Präsident und der ehemaligen Kirchenpflegerin verdanken.
Auch in der Kirchgemeinde sind die vielen freiwilligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein sehr wichtiges Gut. Das haben wir im Modul «Gemeindekultur – Gastlichkeit – Kirche der Freiwilligen» in all ihren Facetten beleuchtet.
Jeannette Tobler, Romanshorn, im Interview
Frau Tobler, was haben Sie in diesem Lehrgang am besten gefunden und für die Entwicklung in Ihrer Kirchgemeinde am wertvollsten?
Ich profitierte grundsätzlich von allem, da ich, wie gesagt, ein Neuling war und das Kirchenleben und Strukturen noch nicht gut kannte.
Am meisten profitierte ich aber von den persönlichen Kontakten, die ich immer noch pflege. Ich tausche mich öfters mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Kirchgemeinden aus.
Was konnten Sie in Ihrer Kirchgemeinde schon verbessern oder neu lancieren dank Ihren Erkenntnissen im Kurs?
Wir waren bereits sehr gut zum Thema Freiwilligenarbeit unterwegs. Meine Vorgängerin hatte eine stehende Arbeitsgruppe Freiwilligenarbeit mit sehr guten Strukturen aufgebaut. Dank des Moduls «Kirche der Freiwilligen» und den nachfolgenden Tagungen in der Kartause konnten wir die Freiwilligenarbeit weiterentwickeln. Aktuell bilden Kreuzlingen Amriswil, Bischofszell und Romanshorn eine Intervisionsgruppe Freiwilligenarbeit, die wir in Zukunft auch für weitere Themen nutzen werden.
Welche Module haben Ihnen am besten zugesagt?
Mit hat das Modul 3 «Projekte des Wandels» sehr gut gefallen. Fachlich habe ich von der Einführung und Vertiefung ins Projekt- und Change-Management profitiert. Der Besuch bei der Firma Gottlieber und der fesselnde Vortrag des Firmeninhabers Dieter Bachmann haben mich sehr beeindruckt, insbesondere wie er die Firma auf den erfolgreichen Kurs gebracht hat. In der Zwischenzeit wissen wir, dass er eine positive Entwicklung mit nachhaltigem Wachstum angestossen hat.
Wenn wir in unserer Behörde über neue Ideen und Projekt diskutieren, erinnere ich mich gerne an die Aussagen von Dieter Bachmann. Als Beispiel: Er startete seine Sitzungen am Montagmorgen immer mit einer Umfrage, was die Kolleginnen und Kollegen an Positivem und Aussergewöhnlichem erlebt hätten. Man sollte keine noch so kleine Idee einfach abtun. Wir pflegen in der Sitzung der Kirchenvorsteherschaft ebenfalls einen kurzen Austausch zum kirchlichen Leben. Es ist mittlerweile ein stehendes Traktandum.
Was haben Sie aus Ihrem «Lieblingsmodul» vor allem in den Kirchgemeinde-Alltag mitgenommen?
Konkret habe ich das Projekt der Kirchgemeinde Münchwilen mit dem Spielplatz auf der Kirchenwiese mitgenommen. Evang. Münchwilen hat der politischen Gemeinde die Kirchenwiese zur Realisierung eines Spielplatzes zur Verfügung gestellt. Freiwillige führen regelmässig ein Cafe.
Beim Umbau des Pfarrhauses in Salmsach stellten wir uns die Frage, was mit dem Pfarrgarten passieren sollte. Da uns zugetragen wurde, dass die Gemeinde Salmsach seit Jahren den Auftrag hatte, einen Spielplatz zu erstellen, taten wir uns zusammen und realisierten gemeinsam den neuen Dorfspielplatz – teilweise eine Herausforderung, bis wir uns gefunden hatten, aber meiner Meinung nach ein grosser Erfolg! Der Spielplatz vereint nun Kinder, Familien, Besucher und Bewohner der nahe gelegenen Alterssiedlung. Er bildet eine gute Basis für weitere Angebote.
Damit Gestalten gelingt