Bibelverse begleiten täglich
Losungen verbinden Christinnen und Christen in mehr als hundert Ländern. Sie stiften somit Gemeinschaft über Grenzen von Konfessionen und Sprachen hinweg. Das Andachtsbuch stellt für ein ganzes Jahr täglich zwei Bibelverse bereit: den ausgelosten Vers aus dem Alten Testament und den Lehrtext aus dem Neuen Testament. Die beiden Texte werden ergänzt durch einen Liedvers oder ein Gebet. Seit 1731 werden die Losungen jährlich von der Herrnhuter Brüdergemeine herausgegeben (siehe Kasten).
Gottes Wort integriert
Durch die Losungen die Bibel detailliert kennenlernen: Das ist auch die Motivation von Herbert Kägi, Korrektor des Thurgauer Kirchenboten. Den Bischofszeller begleiten die Losungen seit 40 Jahren. Bereits seine Eltern pflegten die Tradition. Später hätte sich Herbert Kägi jedoch durch ein einschneidendes Erlebnis von seinem Glauben abgewandt. Bis ihm klar wurde, was er dadurch verloren hatte: «Den Glauben als täglicher Begleiter und meine Bibelkenntnisse.»
Losung sei Dank
Seine Kenntnisse hat er wieder aufgefrischt – und zwar dank der Losungen. «Sie geben Orientierung durch die Bibel.» Besonders zu Beginn seiner neuen Beziehung mit Gott habe sich Kägi oft als Suchender gesehen. Er habe Gott gefragt: «Was soll ich tun?» Eine Losung habe ihm zur Antwort gegeben, er solle predigen. «Ich habe mich dagegen gewehrt, denn ich bin kein Publikumssprecher», verrät Kägi. Darauf sei ein Text von Martin Luther gefolgt: «Wenn du nicht gehen kannst, dann krieche.» Seither predige er zwar nicht, gebe aber seine Überzeugung weiter.
Digitale Bibel lesen
Bei der jüngeren Generation scheint es nicht verbreitet zu sein, die Losungen zu lesen. Das bestätigen Jugendarbeiterinnen und Jugendarbeiter aus verschiedenen Kirchgemeinden. Auch die App, welche die Losung täglich aufs Smartphone bringt, werde ihres Wissens kaum genutzt. Was jedoch auf den Handys vieler Jugendlicher zu finden sei: die Bibel- App namens «YouVersion» (siehe Kasten). «Jugendliche erhalten dort Lesepläne und täglich einen Bibelvers», sagt Tabea Kunz, Jugenddiakonin in der Evangelischen Kirchgemeinde Amriswil. Auf diese Art könne die Bibel näher kennengelernt werden. Die App ist multimedial und interaktiv aufgebaut. Neben dem täglichen Bibelvers, der nicht der Losung entspricht, sind Bilder, Videos und eine Chatfunktion integriert.
Nutzerfeld ist klein
Auch Angelo Fässler, Sozialdiakon in Ausbildung in den evangelischen Kirchgemeinden Neukirch an der Thur und Schönholzerswilen, sieht kein grosses Nutzerfeld bei Jugendlichen. «Ich kenne nur wenige Menschen, die die Losungen regelmässig lesen.» Die meisten Jugendlichen und jungen Erwachsenen kennen laut Fässler die Möglichkeit der Losung nicht einmal, oder können mit dem Begriff nichts anfangen. «Vielleicht, weil sie nicht präsent sind oder es nicht gefördert wird.»
(Jana Grütter)
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