Berner Spuren im Thurgau
Um 1900 kamen zahlreiche junge Bauern aus verschiedenen Regionen des Kantons Bern in den Thurgau. Grund dafür war vor allem das bernische Erbrecht, wonach der jüngste Sohn den Landwirtschaftsbetrieb erhielt. Dies führte dazu, dass die Väter einerseits möglichst lange mitarbeiten konnten und andererseits die anderen Söhne als Knechte auf anderen Bauernhöfen arbeiten mussten. Weil Hungersnöte hinzukamen, flüchteten viele. So besassen gemäss der Volkszählung 1941 elf Prozent der Thurgauer Bevölkerung eine bernische Abstammung.
Elftägige Wanderung mit Stier
Anfangs der 1860er-Jahre kam auch Johannes Kernen in die Nordostschweiz – vermutlich nach elftägiger Wanderung mit seinem Simmentaler Stier «Mandi». Er heiratete 1864 die Landschlachterin Elisabeth Lüthi, und 1865 erwarb das junge Paar den Hof an der Bergerstrasse 2 in Altishausen. Später bewirtschaftete Max Kernen den Hof in vierter Generation zusammen mit Esther Kernen, bis er vor siebzehn Jahren plötzlich starb.
Seine Frau singt heute noch aktiv mit beim Kirchenchor Sulgen. Nach ihrer sechsjährigen Tätigkeit in der Kirchenbehörde von Alterswilen trat sie anlässlich der Fusion mit der Kirchgemeinde Hugelshofen zurück. In der heutigen Kirchgemeinde Kemmental tritt sie als Lektorin, als Mitwirkende beim Weltgebetstag oder bei den Laiengottesdiensten in Erscheinung.
Strickgruppe weitergeführt
Annelies Weibel-Kernen ist die Schwägerin von Esther Kernen und die Ur-Ur-Enkelin von Johannes Kernen. Sie war zwischen 1984 und 2000 Mitglied der Kirchenbehörde von Lipperswil- Wäldi. «Ich erinnere mich noch gut an die jährlichen vier Sitzungen und an die Renovation des Kirchgemeindehauses», sagt sie. Auch das Austeilen des Abendmahls und das Kelchhalten waren für sie wichtige kirchliche Tätigkeiten.
Heute leitet sie die, von ihrer Grossmutter vor 65 Jahren gegründete Strickgruppe der Kirchgemeinde Kemmental. Kürzlich machte sich Marcel Kernen, Nachfolger von Johannes Kernen in fünfter Generation, auf den Weg, um zu Fuss zu den Wurzeln seiner Vorfahren zurückzukehren. Dabei wählte er teilweise den Jakobsweg und wanderte in der Annahme, dass seine Vorfahren kaum das Geld für eine Überfahrt mit dem Schiff besassen, auf dem «Weg der Schweiz» rund um den Urnersee. Nach zwölf Tagen traf er in Diemtigen ein.
Kürzlich ist das Buch «Vom Berner Haus ins Thurgauer Haus» von Werner Lenzin erschienen. Es entstand auf Initiative des Hugelshofers Robert Neuhaus: www.berner-im-thurgau.ch
(Werner Lenzin)
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