News aus dem Thurgau
Sommerserie: Biblische Liebespaare

Batseba und David: Das letzte Machtspiel

von Karin Müller
min
27.07.2023
Ob Liebe und Glück oder Gewalt und Verrat – nicht immer hat man die Wahl. Für die Sommerserie «Biblische Liebespaare» erzählt Karin Müller die etwas andere Geschichte von Batseba und David. Doch die beiden sind weder ein Paar noch lieben sie sich.

Es war einer dieser schwülen Sommerabende. Batseba war allein zu Hause. In der Stadt wurde es endlich ruhig. Sie arbeitete in der Bundesverwaltung und hatte einen anstrengenden Tag hinter sich. Endlich Wochenende! Sie freute sich auf eine erfrischende Dusche. Ihr Mann Uria arbeitete bei einem internationalen Hilfswerk und weilte für längere Zeit im Ausland. Er war oft unterwegs, Batseba war es gewohnt, allein zu sein. An diesem Abend jedoch vermisste sie ihn, hatte sie doch endlich ihre Tage hinter sich und genoss das unbeschwerte Gefühl, wenn der Körper wieder erwachte.

 

Sommerserie: Biblische Liebespaare

Alt und jung, treu und untreu, verheiratet oder ledig: Das Alte und das Neue Testament erzählen von unzähligen Paaren. Es sind Geschichten voller Leidenschaft und Wärme, voller Höhen und Abgründe.

Die Sommerserie greift einige dieser biblischen Paare auf und versetzt ihre Geschichten in die heute Zeit. Die moderne Interpretation alter, traditioneller Lesarten lässt deren Kernaussagen wieder deutlicher hervortreten und Überraschendes kommt zum Vorschein. Herzschmerz-Autorin Rosamunde Pilcher hätte ihre Freude daran.

Erscheinungstermine
Donnerstag, 13. Juli:
Joseph und Maria: Vom Leben mit einer Angebeteten, von Franz Osswald
Donnerstag, 20. Juli: Sara und Abraham: Der lange Weg zum Wunschkind, von Noemi Harnickell
Donnerstag, 27. Juli: Batseba und David: Das letzte Machtspiel, von Karin Müller
Donnerstag, 3. August: Moses und Zippora: Kaltes Erdbeereis und heisse Liebe, von Noemi Harnickell
Donnerstag, 10. August: Adam und Eva: Die Sehnsucht bleibt, von Tilmann Zuber

 

Während sie sich auszog, fühlte sie sich plötzlich beobachtet. Sie drehte sich langsam um und sah hinauf zum Botschaftsgebäude gegenüber. Sie mochte die geschniegelten Diplomaten nicht, die dort residierten. Sie hatte den Botschafter, David hiess er, an einem Empfang kennen gelernt. Er sah gut aus, wirkte aber arrogant und aufschneiderisch. Seither fürchtete sie jedes Mal, wenn sie das Haus verliess, ihm auf der Strasse in die Arme zu laufen. «Botschafter sind keine Fussgänger», lachte ihre Freundin. «Die sind im dicken schwarzen Mercedes mit Chauffeur unterwegs.» Da musste auch Batseba lachen.

Batseba schüttelte den Kopf. Da war niemand, auch Botschafter machten mal Feierabend. Sie stieg in die Dusche und liess das kühle Wasser über ihren Körper fliessen. Die Gestalt, die sich vom gegenüberliegenden Fenster eilig in den Schatten zurückzog, hatte sie nicht bemerkt.

 

Das Wochenende verging und Batseba hatte das unbehagliche Gefühl bereits wieder vergessen, als sie am Montag eine ungewöhnliche Mail vom Büro des Botschafters erhielt. Dieser wolle sie in einer geschäftlichen Angelegenheit treffen. Überrascht rief Batseba ihren Chef an, ob er wisse, worum es bei dieser Sitzung ging und ob er auch dabei sei. Er habe keine Ahnung, meinte er, aber sie solle doch hingehen und ihm dann berichten. Allerdings, so schob er nach, könne es sich um nichts Wichtiges handeln, wenn er keine Kenntnis davon habe. Vielleicht wolle David ein Date, frotzelte er. Nach dem Empfang sei er mächtig beeindruckt gewesen von ihr. Batseba runzelte die Stirn. Hatten die beiden Machos über sie geredet? Sie hatte kein gutes Gefühl.

Auf der Botschaft führte man sie in einen Raum mit einem ausladenden Sofa. Es sah nicht aus wie ein Sitzungszimmer. David trat ein, er trug einen schlampig über die Schultern geworfenen Morgenmantel aus Seide. Batseba war irritiert. David hielt sich nicht mit Höflichkeiten auf. Er kam auf Batseba zu und zog sie an sich. Sie erstarrte, wollte aus dem Zimmer rennen, aber David war stark. So heftig sie sich auch wehrte, sie konnte sich nicht befreien. Sie wollte schreien, doch sie brachte keinen Ton heraus. Das Ganze war ein Albtraum.

Als Batseba später die Haustür hinter sich schloss, fühlte sie sich gedemütigt und schmutzig, sie war verwirrt, aber vor allem zornig. Wie konnte dieser Mann es wagen, sie so zu behandeln! Was sollte sie jetzt machen? Ihn anzeigen? Vermutlich schützte ihn sein Diplomatenstatuts. Und am Ende würde man ihr ja doch nicht glauben und ihr vorwerfen, sie wolle sich wichtigmachen. Das wollte sie nicht. Ein Testimonial unter #metoo? Wenn, dann nur anonym. Nein! Sie wollte keinen Shitstorm, keinen öffentlichen Skandal auslösen, keine Zielscheibe werden. Sie wusste, es war falsch, aber sie schämte sich. Also beschloss sie, zu schweigen. Irgendwann, so hoffte sie, würde sie vergessen. Zeit heilt Wunden, hiess es.

 

Die ständige Morgenübelkeit, die sie bald darauf plagte, tat Batseba erst als körperliche Reaktion auf das Erlebte ab. Aber als nach einigen Wochen auch noch ihre Tage ausblieben, wusste sie: Sie war schwanger. Sie erschrak. Was jetzt? Heimlich abtreiben? Uria vorgaukeln, er sei der Vater? Er würde ihr wohl kaum glauben. Er konnte rechnen, er war nicht dumm. Batseba wünschte sich, ihr Mann wäre bei ihr. Andererseits war sie erleichtert, ihm nicht in die Augen sehen und sich erklären zu müssen. Nach einigen schlaflosen Nächten hatte sie sich entschieden, David zu konfrontieren und textete ihm: Ich bin schwanger.

David beschloss zunächst, Batseba zu ignorieren. Er verstand nicht, warum sie ihm schrieb. Sie hatten doch ihren Spass gehabt und Batseba war schliesslich verheiratet. Oder hatte sie sich etwa ihrem Mann anvertraut? Wollten die beiden ihn erpressen? Je länger David darüber nachdachte, umso misstrauischer wurde er. Er stellte Nachforschungen an und fand schnell heraus, in welchem Land sich Batsebas Mann aufhielt. Kriegsgebiet, dachte er zufrieden, da lässt sich doch was machen. Über undurchsichtige Kanäle schaffte er es, dass Uria mit seinem Team in einen Hinterhalt gelockt wurde. Niemand überlebte den Anschlag. Jetzt war die schöne Batseba frei für ihn.

 

Nach der Beerdigung von Uria wollte Batseba nur noch weg. Am liebsten an einen einsamen Ort, wo sie niemand kannte. Die Schwangerschaft liess sich nicht mehr verbergen. Die meisten meinten es gut mit ihr, aber die Leute stellten zu viele Fragen. In diesem Moment der Verzweiflung erhielt sie eine Nachricht von David. Er habe vom Tod ihres Mannes erfahren und wolle sie treffen. Nachdem er wochenlang nichts von sich hören liess, wollte er sie jetzt sehen? Sie traute ihm nicht, doch vielleicht sollte sie die Gelegenheit nutzen, um ihn persönlich mit ihrer Schwangerschaft zu konfrontieren, bevor sie die Stadt für immer verliess. Sie sagte zu, wollte sich aber nur im Café mit ihm treffen. Dort schlug ihr David über einem Cappuccino nonchalant vor, ihn zu heiraten. Was für eine Frechheit! Nie im Leben, dachte Batseba angewidert. Sie stand langsam auf, sah ihn verächtlich an und liess ihn wortlos sitzen. Draussen schien die Sonne, Batseba blinzelte erleichtert und dachte bei sich, dass sie zum Glück in einer Zeit lebte, in der sie selber entscheiden konnte, wen sie heiratete.

 

David und Batseba in der Bibel

Batseba ist die Frau des Heerführers Uija. Während dieser gegen die Ammoniter kämpft, beobachtet König David Batseba im Bad. Er lässt sie holen und schläft mit ihr. Die Folge: Batseba wird schwanger. Als David davon erfährt, will er, dass Urija sich mit Batseba vergnügt, so dass er ihm später sein Kind unterjubeln kann.

Urija weigert sich. Da lässt David ihn in der Schlacht an vorderster Front kämpfen, Urija fällt. Batseba wird daraufhin Davids achte Frau. Ihr Verhalten müssen die beiden jedoch mit dem Tod ihres ersten Sohnes bezahlen. Als zweiten Sohn gebiert Batseba Salomo.

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