Auf den Spuren der Wiedertäufer im Randengebiet
Hier mitten in Wäldern auf dem Randen, im nördlichsten Zipfel der Schweiz, wurde Kirchengeschichte geschrieben. Niemand ahnte im 16. Jahrhundert, dass in einem abgelegenen Weiler eine neue Konfession entstand, die sich später über die ganze Welt verbreitete. Hier versammelten sich 1527 die versprengten Täufer aus Süddeutschland und der Schweiz und formulierten den «Schleitheimer Artikel». Das Dokument gilt als Gründungsurkunde der protestantischen Freikirchen.
Knapp 500 Jahre später führt ein Weg über den Randen zu den zentralen Orten der Täuferbewegung. 2014 beschloss eine Arbeitsgruppe, die Wege und Versammlungsorte der Täufer sichtbar zu machen. «Die Geschichte der Täufer sollte man inmitten der Natur entdecken», so Erich Hammer von der Naturforschenden Gesellschaft und Mitglied der Arbeitsgruppe.
Fluchtwege und Täuferquelle
Wer die Strecke geht, stolpert buchstäblich über die Geschichte: Zwischen Schleitheim und Merishausen trifft er auf Fusssteige, die den Täufern bei den geheimen Treffen und der Flucht dienten. Im Merishauser Dostental liegt gleich an einem Rundwanderweg die Taufquelle der Wiedertäufer. Die Stätte bietet dem Wanderer einen Platz zur Ruhe, der an die gewalttätige Verfolgung während der Reformationszeit erinnert. Weiter geht es durch das ehemalige Siedlungsgebiet Chälen in Schleitheim auf der Täuferroute Schleitheim – Merishausen – Hemmental. An diesen Orten erzählen heute Informationstafeln von der Täuferbewegung.
Schleitheimer Bekenntnis
Im Museum Schleitheimertal findet man schliesslich das «Schleitheimer Bekenntnis», das den Glauben der Wiedertäufer in sieben Artikeln zusammenfasst. Festgehalten an einem geheimen Treffen der Täuferführer unter der Leitung des Mönchs Michael Sattler im Jahr 1527. Noch heute berufen sich weltweit die Mennoniten und Amischen auf das Schleitheimer Bekenntnis. Der Originaldruck aus dem Jahr 1550 bildet den Mittelpunkt der Ausstellung und führt jährlich Besucher aus den USA und anderen Ländern in den Kanton Schaffhausen.
2000 Täufer vertrieben
Das Täufertum entstand um 1520 im Zug der Reformation. Unter den Mitstreitern des Zürcher Reformators Huldrych Zwingli machte sich Unmut über den zögerlichen Fortschritt der Reformation breit. Während der «Zweiten Zürcher Disputation» kam es 1523 zum Bruch zwischen den Täufern und dem Reformator. Die Obrigkeit und die junge Reformation sah in den Täufern, die den Eid, den Waffendienst und die Kindstaufe ablehnten, eine Bedrohung. Der Rat der Stadt Zürich liess die Anführer hinrichten und verjagte die Gemeinde.
Zwischen tausend und 2000 Täufer wurden aus Ober- und Unterhallau, Schleitheim, Merishausen, Löhningen und Neuhausen vertrieben. Wollten sie bleiben, so strafte man sie mit Bussen und Gefängnis und nahm ihnen ihre Kinder und Bürgerrechte weg.
In Merishausen verlor der Pfarrer Amt und Würde, als er zu den Täufern hielt. Manche wanderten in die Pfalz und nach Mähren aus. Später dann in die Niederlande und die USA. In Schleitheim verlor sich die Täuferbewegung erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts. Von ihrem Schicksal und Leiden zeugt ein Gedenkstein aus Waldshuter Granit, der beim Täuferstieg bei Hemmental steht, gefertigt vom Künstler Jürg Stäheli. Das Mahnmal drückt die Hoffnung aus, dass sich die Christen einst versöhnen. So wie es im Schleitheimer Bekenntnis am Anfang heisst: «Brüderliche vereynigung etzlicher kinder Gottes».
Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».
Adriana Schneider / Kirchenbote / 29. Juli 2016
Auf den Spuren der Wiedertäufer im Randengebiet